Eilantrag kann nicht eilig beantragt werden

Anwalt des angeblichen Al-Qaida-Terroristen Moussaoui will Justizministerin Zypries gerichtlich stoppen

FREIBURG taz ■ Gerhard Strate hofft noch. Der Hamburger Anwalt des vermeintlichen Al-Qaida-Terroristen Zacarias Moussaoui will verhindern, dass deutsche Belastungsmaterialien an die USA übergeben werden. Dem dort inhaftierten Moussaoui droht die Todesstrafe, weil er an den Anschlägen vom 11. September beteiligt gewesen sein soll. Allerdings war er bereits vor den Attentaten festgenommen worden, weil es Verdacht erregt hatte, dass er nur fliegen, nicht aber starten und landen lernen wollte.

Gestern Abend nun wollte Strate beim Berliner Verwaltungsgericht einen Eilantrag einreichen. Per einstweiliger Anordnung möchte der Anwalt verhindern, dass Deutschland an einem Verfahren mitwirkt, das zum Tod seines Mandanten führen kann. Er stützt sich dabei auf Artikel 102 Grundgesetz, in dem die Todesstrafe abgeschafft wurde.

Eine gerichtliche Prüfung ist noch möglich: Nach Auskunft der Bundesanwaltschaft, der „aktenführenden Behörde“, sind die Originalunterlagen bisher nicht übergeben worden. Dennoch konnte der Eilantrag gestern nicht einfach abgeschickt werden und lag auch noch am späten Nachtmittag auf dem Schreibtisch von Strate. Zu Redaktionsschluss wartete der Rechtsanwalt immer noch auf das Einverständnis seines Mandanten Moussaoui. Er gilt als äußert misstrauisch – und seine amerikanischen Pflichtverteidiger Frank W. Durham und Edward B. MacMahon wollten ihm zunächst die jüngsten Entwicklungen erläutern.

Dazu gehört zunächst, dass sich die US-Beweisführung wohl vor allem auf zwei Bankbelege stützt. Sie sollen beweisen, dass die Pilotenausbildung Moussaouis von Mitgliedern der Hamburger Atta-Gruppe bezahlt wurde. Doch bisher besitzen die US-Behörden nur Kopien, für den Strafprozess benötigen sie aber die Originale. Monatelang wurde ihnen diese von der damaligen Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) verweigert, da die USA nicht auf die Todesstrafe verzichten wollte.

Ende November sagten die USA dann in einer diplomatischen Note zu, dass die Beweismittel weder direkt noch indirekt zur Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe verwertet werden. Den genauen Wortlaut gibt das Justizministerium jedoch nicht preis, da dies in der Diplomatie unüblich sei.

Jetzt wird gerätselt, wie die deutschen Unterlagen konkret in den US-Prozess eingeführt werden sollen. Die Washington Post spekulierte, dass die Belege für die Frage von Schuld und Unschuld verwendet werden dürfen, nicht aber für das Strafmaß. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Materialien nur bei jenen der insgesamt zwölf Anklagepunkten eine Rolle spielen dürfen, für die nicht die Todesstrafe beantragt wurde.

Im Justizministerium ist man jedenfalls überzeugt, dass man das Nötige getan hat, um das Leben Moussaouis nicht zu gefährden. Bestärkt fühlt man sich nicht zuletzt dadurch, dass auch Frankreich dem deutschen Vorgehen zugestimmt hat – denn Moussaoui hat neben der marrokkanischen auch die französische Staatsbürgerschaft.

CHRISTIAN RATH