Surreale Schräglagen

Intelligente Bewegungsphantasien: Ingun Björnsgaard Prosjekt gastiert mit „Book of Songs“ auf Kampnagel

Eine eigenwillige und handfest freche Bewegungssprache mit Körperwitz und Ironie war stets Ingun Björnsgaards Markenzeichen. Oftmals genügt ihr ein Blick, eine Geste, um ihr Publikum in den Bann zu ziehen.

An lockerer Leine führt sie es auch diesmal durch einen von Humor und Melancholie gefärbten Kammertanzabend. Book of Songs, zurzeit auf Kampnagel zu Gast, verrät bereits im Titel die Verknüpfung der Choreografie mit Literatur und Musik. Ein Ineinandergreifen von abstrakter und erzählerischer Ebene prägt das Stück, das kennzeichnend ist für die intelligenten Bewegungsphantasien der norwegischen Choreografin.

Zunehmend feinsinniger hat sich diese Sprache entwickelt, wie das jüngste Stück von Ingun Björnsgaard, die seit 1996 regelmäßig auf Kampnagel gastiert, beweist. Weggefährte Henrik Hellstenius hat eine dichte Komposition für Violine, Cello und Elektronik beigesteuert, schickt seine Musiker Frode Larsen und Emery Cardas mit aufs Tanzparkett, wobei Letzterer sein Cello schon Mal auf den Bauch bettet und surreale Schräglagen nicht nur musikalisch deutet. An Ibsens Wenn wir Toten erwachen hat Björnsgaard sich choreografisch angelehnt und an Alain Resnais‘ Film Letztes Jahr in Marienbad. Und wie Christopher Arouni männliche Selbstverliebtheit ironisiert, das ist wirklich sehenswert. Da lockt er die Frau mit schmeichelnder Hand, deutet verschmitzt ihre Rundungen an, lässt sie (an-)tanzen wie eine Marionette – und an sich abgleiten. Immer wieder. Doch die junge Marianne Albers wird der Lust nicht müde. In der reiferen Tänzerkollegin Halldis Ólafsdótir findet sie ihr Alter Ego, eine Frau, die das trostlose Ende solcher Hingabe zu kennen scheint.

In Soli, Duetten und Trios lässt Björnsgaard ihre technisch sowie darstellerisch hinreißenden Tänzer Erzählfäden spinnen. Die Bühne erinnert mit zwei Polsterbänken an einen Wartesaal, begrenzt durch einen flachen Prospekt mit abstrakter Hügellandschaft. Wenn Arouni sich bäuchlings darunter schiebt oder wie ein Schlafwandler dahinter auf und ab läuft, während sein Kopf noch über den Rand ragt, zeigt sich einmal mehr Björnsgaards kongenialer Umgang mit dem Bühnenbild. Eine erneute Kooproduktion zwischen Kampnagel und der hochtalentierten Choreografin, wie bereits 1997, könnte die manchmal fehlende Inspiration in Hamburgs zeitgenössischer Tanzlandschaft neu beleben. Marga Wolff

nächste Vorstellungen: 6. + 7. Dezember, 20.30 Uhr, Kampnagel