Rückfalltäter made by Kusch

Experten kritisieren Strafvollzug als Bedrohung der öffentlichen Sicherheit: Justizpolitik in Hamburg widerspricht allen fachlichen Erkenntnissen

Der Senat, der antrat, die Stadt sicherer zu machen, schaffe stattdessen Unsicherheit. Justizsenator Roger Kusch (CDU), sagte gestern der Kriminologieprofessor Klaus Sessar, bilde mit seiner Strafvollzugspolitik „eine Generation von Rückfalltätern“ aus. Durch Kuschs Pläne für die Gefängnisse alarmiert, haben sich Fachleute aus unterschiedlichen Berufsgruppen zum „Forum Hamburger Strafvollzug und Straffälligenhilfe“ zusammengeschlossen und ein Manifest geschrieben. Zentrale These: „Die Wende im Strafvollzug bedroht die Sicherheit in unserer Stadt.“

Laut Sessar benötigt Kusch Nachhilfeunterricht für die Gestaltung des Strafvollzuges. In den Gesetzen sei nicht „die Bestrafung durch die Behandlung im Gefängnis“, sondern nur der Entzug der Freiheit vorgesehen. Von daher dürften die Gefangenen nicht nur hinter Gittern verwahrt werden. Außerdem müsse der offene Vollzug ausgeweitet werden, während der Senat das neue Gefängnis in Billwerder vom offenen für den geschlossenen Vollzug umrüstet.

Hamburg, so auch der ehemalige Leiter des Gefängnisses Neuengamme und Mitarbeiter des Strafvollzugsamtes Gerhard Rehn, „braucht keine neue geschlossene Anstalt in dieser Größenordnung“. Denn in den hiesigen Gefängnissen würden nicht überwiegend Schwerverbrecher sitzen, sondern Häftlinge mit kurzen Freiheitsstrafen. Die müssten baldmöglichst wieder auf die Freiheit vorbereitet werden – was unmöglich werde, wenn die Platzzahl im Offenen Vollzug von 700 auf 370 reduziert wird: „Es werden mehr Gefangene aggressiv und rückfallgefährdet die Anstalt verlassen.“

Auch die Drogenpolitik des Senates im Knast widerspreche allen fachlichen Erkenntnissen, sagt Klaus Behrendt, Chefarzt der Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen am Klinikum Nord. Beispiel Abschaffung des Spritzentausches: Elf europäische Studien stützen den Spritzentausch als effektive Maßnahme der Gesundheitsprophylaxe – auch im Sinne der Knastbediensteten. Laut einer Studie in Italien erkranken Vollzugsbeamte in Anstalten ohne Spritzentausch doppelt so oft an Hepatitis C. In Hamburg sei es zudem gelungen, durch diese Maßnahme den Anteil der HIV-Infizierten auf unter sechs Prozent zu senken. Ohne sterile Spitzen halte man die Süchtigen hinter Gittern nicht vom Konsum ab, „man verschlechtert nur ihre Bedingungen“.

Das Forum hat Kusch eingeladen, an einer Versammlung des „Arbeitskreises substituierender Ärzte“ kommende Woche teilzunehmen. Ein Zusage gibt es bisher nicht. Und Hartwig von Schubert von der „Hamburgischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren“ weist darauf hin, dass auch Senatskollege Peter Rehaag (Schill-Partei) noch nie einer Einladung zur Fachdiskussion gefolgt sei. ELKE SPANNER