Versandete Jungfernfahrt

Das kürzlich am Tiefer angedockte Bremer Theaterschiff folgt mit seiner ersten Produktion der Einsicht, dass flache Gewässer fürs Schwimmenlernen am besten geeignet sind

Die Textvorlage hangelt sich, um Komik bemüht, von Kalauer zu Kalauer

Neu ist‘s. Das teilt sich noch den Geruchsrezeptoren mit. Ausgasende Lacke mischen sich mit den schweren Parfums der Geladenen-Gäste-Gattinnen. Und bemerkenswert ist‘s auch: Die erste eigene Produktion feiert im Bauch des zu „Europas größtem Theaterschiff“ – so die Eigenwerbung – umgestalteten Frachtkahns Premiere.

Sie heißt, mit neckisch eingeklammertem zweitem „n“, „Non(n)sense“, wird vom Autor Dan Goggin als Comedy-Musical bezeichnet und – ja, was ließe sich noch an Positivem über sie sagen? Vielleicht dieses – dass Stück und Inszenierung alle Fragen offen lassen.

Das ist allerdings nicht zwangsläufig ein Ausweis brillanter Vieldeutigkeit. Welches Potenzial die elegante und atmosphärisch dichte Spielstätte hat, was Bremen mit ihr gewinnt, geschweige denn was ihre Schauspieler vermögen, darauf gibt der Abend keine Antwort.Und andere Fragen lässt er nicht aufkommen.

Der Grund: Die Textvorlage hangelt sich in einem stetigen, aber erschreckend hilf- und hoffnungslosen Bemühen um Komik von Kalauer zu Kalauer. Die Witzchen sind in Ehren ergraut und zählten nicht einmal in ihren jüngeren Jahren zu den wacheren Exemplaren ihrer Gattung. Zum Ausgleich des Mangels werden sie mit einiger Ausdauer breit gelatscht. So macht ein running-gag die Handlung der Sottise aus: Die fünf überlebenden Nonnen des fiktiven Klosters Sankt Vinzenz bereiten Cancan tanzend eine Show vor, die Geld für die Beerdigung ihrer an Fischvergiftung verendeten Mitschwestern in die Klosterkasse spülen soll.

Im Prinzip – denn Gerechtigkeit schafft Frieden – behandelt das Stück jede seiner Scherzvorlagen in Sinne dieser Auswalztechnik. Ein besonders markantes Beispiel dafür ist die Missions-Tätigkeit der Nonnen auf – wie geckig! – einer Leprastation. Sie wird erstmals in der vertonten Geschichte des Stifts erwähnt, die das Nonnenquintett vorträgt. Bei der Ankunft im Lazarett sei die Enttäuschung groß gewesen: „die guten Stücke waren schon weg“ – haha! Zudem habe man beim Händeschütteln aufpassen müssen – hihi! Als Diakonissen am selben Ort in Sachen Barmherzigkeit zu konkurrieren begonnen hätten – hoho! – habe ein Wettrennen über das Bleiberecht entschieden. In diesem seien die Nonnen von Sankt Vinzenz unterlegen gewesen, weil die teilnehmende und offenbar infizierte Schwester ihre Nase verloren habe – hehe!

Im Anschluss an den Song wird – schließlich macht Interaktion den Reiz von Theater aus – eine der Schwestern ein Quiz durchführen. „Weshalb mussten die Nonnen die Lepra-Station verlassen?“, fagt sie das Publikum und mimt einen Wettlauf, bei dem sie sich an die Nase fasst.

Zorn erregt das nicht, höchstens Mitleid. Sogar mit dem Regisseur und Theaterreeder Knut Schakinnis, obwohl der sich freiwillig auf das Werk eingelassen hat. Inspiration jedenfalls vermag er nicht aus ihr zu ziehen –und nur kaum einmal einen Einfall. Tragisch, aber wahr: In dieser Verfassung wird sich das Theaterschiff nicht einmal auf der Hunte über Wasser halten. Tröstlich allein, dass es kaum mehr tiefer sinken kann.

Benno Schirrmeister

Non(n)sense, Theaterschiff Bremen, Anleger 104. Weitere Aufführungen: heute, morgen und vom 11. bis 14. Dezember, jeweils 20 Uhr, sowie Sonntag, 8. Dezember, 18.30 Uhr. Karten und Infos unter www.theaterschiff-bremen.de oder unter ☎ 04 21/790 86 00