berliner szenen Die Depression, die Krake

Mitteläden zu Konzerten

Oh nein. Nicht auch noch das, denkt man. Die Räume des Bastards im Prater sind leer. Na ja fast, an der Seite sitzen ein paar Männer. An der Bar auch. Es ist still. Keine Musik. Das Einzige, was durch den Raum klingt, sind Stimmen, leise und gedämpft.

Bierflaschen werden auf den Boden gestellt. Zum Konzert von The Blondes aus Los Angeles, die in der Musikpresse als hoffnungsvolle Rockband angekündigt wurden, sind nicht mehr Leute erschienen als Käufer zur Zeit einen Laden in Mitte beleben. Sehr müde, sehr gedämpft, sehr traurig sieht das alles aus. Wer da ist, spricht Englisch, gehört also zum Freundeskreis der Band, trägt Mantel oder Jackett, stammt also von der Plattenfirma, oder hält eine Kameratasche fest, also Journalist.

Der Raum scheint wie eingefroren, niemand bewegt sich, es wird getrunken, still und tapfer. Nach Hause gehen geht auch nicht. Als die Vorband auf die Bühne kommt, merkt man, dass sich Tränen in den Augen sammeln. Drei Jungs mit Strohhüten auf dem Kopf. Der Frontmann spricht schlechtes Englisch und wiederholt mantraartig: „Come on, get naked, take drugs, go fucking on the toilet, let’s do Rock ’n’ Roll“. Dann legt er los. Das alles ist so traurig, dass es schon wieder lustig ist. Besessen wiederholt der Sänger zwischen jedem Song seine Formel: naked, drugs, fucking. Er scheint sich wirklich Sorgen um sein Publikum zu machen, das er in großem Gestus als „Berlin“ anspricht.

Ein älterer Mann fängt an zu tanzen. „Come on, get naked, take drugs“, schreit es von der Bühne. Alle sind erleichtert, als endlich The Blondes auftreten. Der Raum hat sich inzwischen gefüllt, die Strohhüte haben ihren Job gut gemacht. Sogar ein paar blonde Mädchen sind gekommen.

HENNING KOBER