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: Katzen- und Hundehüten in der Nacht der Nächte

Vorschläge für ein vollkommen entspanntes Silvester

Es ist wieder so weit, es fängt wieder an. Man steht in einer zwanglosen Vierergruppe fröstelnd im Wind, war vielleicht beim Konzert, zieht noch plaudernd ein letztes Resümee des Abends, hat sich bereits halb umgedreht, ist praktisch schon am Gehen, will ein launiges „Wir telefonieren!“ rufen, da spricht es ein Unglücklicher das erste Mal aus: „Was macht ihr eigentlich an Silvester?“

Auch Telefongespräche enden in letzter Zeit mit einem Luftholen nach einer kleinen Verlegenheitspause und dem unvermeidlichen: Weißt du schon, was du an Silvester machst? Hinter den lauernden Fragen der übereifrigen Silvesterplaner stehen im Einzelfall oft leidvolle Erfahrungen der vorherigen Jahre. Man wollte einmal etwas ganz anderes machen, ist am falschen Ort bei blöden Leuten gelandet und steht um Mitternacht allein mit zwei sich reibenden Pärchen in einer ekelhaft ausgebauten Dachgeschosswohnung.

Situationen, die ein erwachsener Mensch normalerweise verkraften kann, wäre es nicht gerade die sensibelste Zeit im Jahr. Viele verbrachten das Weihnachtsfest in trostlosen Weltgegenden bei der Familie oder in ähnlich schwierigen Zusammenhängen und kommen am 28. Dezember verwundet, gedemütigt und doch glücklich, in Berlin zu leben, zurück. Da ist dann die Erwartungshaltung an den Jahreswechsel viel zu groß. Manch einer sieht dann in der Silvesternacht gar ein Orakel für die Glücksversprechungen des neuen Jahres: Wer es nicht schafft, sich an Silvester zu amüsieren, wird im neuen Jahr keine große Freude haben.

Typ A tut also so, als ob er, lebenssatt und überbeliebt, noch gar keinen Gedanken an den fernen Termin verschwendet hat. Wahrscheinlich muss er wieder unter vielen tollen Einladungen wählen, findet es aber grotesk, jetzt schon solche Überlegungen anzustellen. Am Nachmittag des 30. Dezember telefoniert er dann hektisch und ein wenig kleinlaut sein Adressbuch durch, um noch irgendwie unterzukommen. Typ B gehört zu den Frisch-Alleinstehenden, die jahrelang den Jahreswechsel unter der muffigen Wolldecke der Zweisamkeit zelebrierten und sich Anfang Oktober bei alten Freunden melden, weil sie, zurückgeworfen in die ehrliche Einzelexistenz des Individuums, ihre Freiheit vor allem an Silvester nicht zu verkraften glauben. Der kultivierte Großstadtmensch hingegen hat sich ein erprobtes und bewährtes Ritual zugelegt. Die Abendstunden bis Mitternacht werden in privater Umgebung und vertrauter Runde verbracht. Dabei ist in den letzten Jahre ein Trend zum ironischen Zitieren von Fünfzigerjahre-Bräuchen zu beobachten: Man versammelt sich um Fleischfondue, Raclette, Feuerzangenbowle und Toast Hawaii. Der Kreis wird bewusst klein gehalten, ein paar Freunde reichen zur emotionalen Grundversorgung während der kritischen Stunden. Um Mitternacht heißt’s dann, Feuerwerk beobachten, selbst zündeln, Bleigießen, leer trinken, langsam fertigmachen zum Ausgehprogramm.

Letztendlich treffen sich dann alle auf der einen großen Party, stehen glücklich und dicht gedrängt im Treppenhaus oder stolpern in kleinen Wohnungen über Mäntelberge. Es gibt nichts mehr zu trinken, aber ein großes „Hallo! Wo kommst du her? Wie war’s bei euch?“. Und schon ist die Nacht der Nächte vorbei. Oder lässt sich für dieses Jahr schon ein leiser Trend zur Verweigerung ausmachen? Tierbesitzer jedenfalls gehen mit der gesellschaftlichen Herausforderung Silvester am entspanntesten um, sie bleiben einfach zu Hause und beruhigen ihre von der Knallerei verängstigten Katzen und Hunde. CHRISTIANE RÖSINGER