Abrisspläne in Hebron

Nach dem Attentat auf zwölf israelische Soldaten will die Regierung einen gesicherten Weg für Siedler bauen. Dafür müssen fünfzehn palästinensische Häuser verschwinden. Die Betroffenen haben eine Petition beim Obersten Gericht eingereicht

aus Hebron SUSANNE KNAUL

„Hebron für immer jüdisch“, ist in hebräischen Buchstaben in blauer Farbe an die Tür eines palästinensischen Hauses gemalt, und: „Das Volk der Ewigkeit kennt keine Furcht.“ Dass gerade das Gegenteil richtig ist, indizieren nicht nur die hohen Betonblöcke, mit denen bereits ein Stück des Weges abgesichert ist, der die jüdische Siedlung Kirjat Arba mit dem südlichen Teil der Stadt Hebron verbindet. Dort liegt die Grabstätte des Stammvaters Abraham, einer der heiligsten Orte für die Juden.

Etwa 50 Soldaten und Grenzpolizisten nehmen zum Teil im Stehen, zum Teil in gepanzerten Fahrzeugen ihr Mittagsessen zu sich. Sie warten auf die angekündigte Demonstration der Siedlerbewegung „Frauen in Grün“, die mit einem Umzug von Hebron nach Kirjat Arba an die „Zwölf Makkabäer“, so das Motto angesichts des derzeitigen Chanukka-Festes, erinnern will. Damit sind die zwölf Soldaten gemeint, die Mitte November in einen Hinterhalt gerieten und von Aktivisten des Islamischen Dschihad der Reihe nach erschossen wurden.

Die Betonblöcke sind eine erste Reaktion auf den Tod der Israelis. Von staatlicher Seite geplant ist auch der Abriss von 15 palästinensischen Häusern, an deren Stelle ein rund 300 Meter langer, mit Trennwänden und Beobachtungsposten befestigter Weg für die Siedler entstehen soll. Die veranschlagten Kosten liegen bei mehreren Millionen Dollar. Schon Ende Dezember soll mit dem Abriss der zum Teil 500 Jahre alten Gebäude begonnen werden, vorausgesetzt, der Oberste Gerichtshof in Jerusalem, der derzeit entsprechende Petitionen der palästinensischen Familien prüft, lässt es zu.

Für die „Frauen in Grün“ ist dieser Plan unzulänglich und inakzeptabel. Er beinhalte nichts anderes als den „Bau eines Ghettos“, so Nadia Matar, Gründungsmitglied der Bewegung. „Die zionistische Antwort auf Terror ist der Bau neuer Siedlungen.“ In Hebron schwebt ihr nicht weniger als ein „durchgängiger Wohnstreifen“ für Juden vor, der sich mehrere hundert Meter lang von Kirjat Arba bis nach Abraham Avinu, einer Kleinstsiedlung von höchstens 15 Familien im Süden der Stadt, zieht. Dazu müssten nicht einmal Häuser abgerissen werden. „Wir würden einfach in die Häuser einziehen, die die Araber den Juden gestohlen haben“, meint sie und bezieht sich auf das Jahr 1929, in dem in der Stadt schwere Übergriffe gegen die dort ansässigen Juden stattfanden. Die meisten Gebäude stünden ohnehin bereits leer und müssten „nur ein bisschen renoviert werden“.

Tatsächlich sind in den vergangenen Monaten immer mehr Palästinenser weggezogen, nachdem die israelischen Militärs über das Gebiet, das noch immer unter israelischer Kontrolle steht, wiederholt Ausgangssperren verhängten. „Seit Beginn der Intifada im September vor zwei Jahren mussten rund 1.500 Läden schließen“, berichtet Mustafa Natsche, Bürgermeister von Hebron. Der Wegzug der Leute sei indes nur „vorrübergehend“, meint er. Sobald sich die Lage beruhige, würden sie wieder zurückkehren. 30.000 Palästinenser leben im so genannten H 2-Gebiet – Hebron zwei, dem israelisch kontrollierten Teil. Wer kann, sucht Unterschlupf bei Verwandten in „H 1“, wo Konfrontationen mit dem israelischen Militär deutlich seltener sind.

Einen Tag vor dem Opferfest „Id el Fitr“, das das Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan markiert, sind die Straßen im besetzten Teil aufgrund der Ausgangssperre wie leer gefegt, während der Verkehr im „autonomen“ Hebron stillsteht, weil zu viele Autos unterwegs sind. Die Leute machen letzte Besorgungen vor den Feiertagen.

Natsche sitzt im zweiten Stock des Rathauses an der vierspurigen Hauptstraße, die bis vor wenigen Monaten in Richtung Jerusalem führte. Inzwischen ist die gesamte Stadt für palästinensische Fahrzeuge abgesperrt. Der einzige Weg nur für Siedler und Ausländer führt durch Kirjat Arba. Palästinenser können die Stadt nur zu Fuß verlassen.

Den Überfall auf die israelischen Soldaten erklärt Bürgermeister Natsche mit der andauernden Besatzung und den „Provokationen der Siedler, die immer wieder zu neuen Konfrontationen führen“. Im Moment gäbe es „kein Zeichen für Veränderung und Hoffnung“. Die von Israels Exverteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser initiierten Abzugspläne, die Hebron als nächste Stufe für einen Rückzug der Soldaten vorsahen, hält Natsche nicht für aufrichtig. Wann immer Siedler gegen die palästinensischen Anwohner angehen, würden die Soldaten stillschweigend weggucken, beklagt er sich.

Auf dem Platz vor den mit den Graffitis beschmierten Häusern hat sich vor zwei Wochen eine kleine Gruppe radikaler Siedler in einem provisorischen Wohnmobil niedergelassen. Der illegale Vorposten sollte zunächst nur für die siebentägige Trauerzeit für die zwölf Gefallenen bestehen. Die an dem Ort stationierten Soldaten rechnen nicht mehr mit einer Räumung. Wenigstens nicht vor den Wahlen.