„Kein Mandat für grüne Minister“

Auf ihrem Parteitag in Hannover sollen die Grünen auch beschließen, dass Minister nicht im Bundestag sitzen dürfen – findet Werner Schulz. Er kritisiert das „autokratische System“: Die Alleinherrschaft von Joschka Fischer sei das „zentrale Problem“

Interview BETTINA GAUS

Herr Schulz, Sie haben gefordert, die Diskussion über die Trennung von Amt und Mandat zu beenden. Sind Sie ein Anhänger dieser umstrittenen Satzungsregelung?

Werner Schulz: Das politische Problem ist eher die Trennung von Amt und Moral. Bei Bündnis 90 gab es die Trennung von Amt und Mandat nicht. Die Grünen haben uns bei der Vereinigung mit überwältigender Kraft dazu gedrängt, ihre Satzungslösung zu übernehmen. Nun schaue ich mir das seit zehn Jahren an; es spricht manches dafür und manches dagegen. Die Argumente sind inzwischen sattsam ausgetauscht, und trotzdem führen wir leider diesen Evergreen immer wieder auf.

Sind Sie denn nun für oder gegen die Trennung vom Amt und Mandat?

Ich bin für eine Urabstimmung, damit die Frage in der Partei endgültig geklärt werden kann. Aber man sollte diese Urabstimmung nicht auf eine spezielle Lösung zuschneiden. Jetzt wird nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht: Zwei von sechs Vorstandsmitgliedern sollen ein Mandat haben dürfen. Das ist halbherzig. Man muss die Frage grundsätzlich entscheiden und keine verschwiemelten Speziallösungen einführen, die sich dann verfestigen. Die Mitglieder sollten auch Stellung dazu beziehen, ob Minister ihr Mandat zurückgeben müssen. Gegenwärtig ist das Beschlusslage der Partei.

Und welcher Meinung sind Sie?

Ich bin dafür, Legislative und Exekutive zu trennen.

Besteht dann nicht die Gefahr, dass Minister stärker als bisher an ihren Posten kleben?

Dieses Argument halte ich für einen Vorwand. Koalitionen halten nicht deshalb, weil Leute an ihren Posten kleben. Und es gibt gute Gründe dafür, dass Minister nicht zugleich Abgeordnete sind. Wenn die Union tatsächlich die Pairingvereinbarung kündigt, dann werden wir uns eine Trennung von Amt und Mandat noch wünschen. Denn ohne Pairing dürfen bei wichtigen Abstimmungen nicht mehr eine vorher vereinbarte Zahl von Abgeordneten aus allen Lagern fehlen – das bedeutet dann, dass eine Regierung permanent anwesend sein muss und zu nichts anderem mehr kommt.

Warum sind Sie eigentlich für eine Urabstimmung? Man könnte sie doch ablehnen und den Beschluss des letzten Parteitages akzeptieren.

Es besteht offenbar mehrheitlich der Wille, den bisherigen Vorstand weiterarbeiten zu lassen. Eine Urabstimmung ist der Wunsch des Bundesvorstands, des Parteirats und auch mehrerer Landesverbände. Ich halte es für legitim, eine solche Frage grundsätzlich durch eine Mitgliederbefragung entscheiden zu lassen. Eine Urabstimmung ist ein Mittel der direkten Demokratie. Aber das zentrale Problem unserer Partei besteht ohnehin nicht in den formellen, sondern in den informellen Strukturen, die sich gebildet haben. Gegenwärtig haben wir keine Machtpyramide, sondern einen Kreis. In der Mitte steht Joschka Fischer, und er entscheidet, wer in dem Führungskreis um ihn herum mitarbeitet. Eine Partei, die antiautoritär gestartet ist, ist als Regierungspartei in einem autokratischen System gelandet.

Sollten die Parteivorsitzenden im Amt bleiben, bis das Ergebnis der möglichen Urabstimmung feststeht?

Das wäre hilfreich. Sie sind eingearbeitet, und es wäre unsinnig für eine Übergangsperiode jemanden kommissarisch zu wählen.