Grün verwirrt

Satzungsänderungen und Gutachten: Für die Grünen ist es nicht einfach, über eine Urabstimmung abzustimmen

BERLIN taz ■ Die Grünen beschäftigen sich auf ihrem Parteitag am Wochenende in Hannover mit einem Dauerbrenner, der außerhalb der Partei fast jeden langweilt, für viele Grüne jedoch eine Glaubensfrage ist: die Trennung von Parteiamt und Parlamentsmandat. Die Partei hat sich so sehr in der Debatte verkeilt, dass der Führung ein Debakel droht, das wiederum nicht ohne Auswirkungen auf die Statik der rot-grünen Koalition bleiben würde.

Die Parteispitze will die Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat über eine Urabstimmung klären lassen. Diesem Weg muss der Parteitag erst mal zustimmen. Zur Abstimmung steht, dass künftig ein Drittel der sechs Vorstandsmitglieder ein Parlamentsmandat besitzen darf. Das Ergebnis der Abstimmung soll im Frühjahr oder Sommer 2003 vorliegen.

Da die beiden jetzigen amtierenden Parteivorsitzenden Claudia Roth und Fritz Kuhn seit Oktober im Bundestag sitzen und dort auch bleiben wollen, gleichzeitig jedoch, nach mehrheitlichem Wunsch, ihr Parteiamt weiterführen sollen, muss in Hannover für Kuhn und Roth eine Ausnahmeregelung beschlossen werden – so lange, bis das Ergebnis der Urabstimmung vorliegt. Wird die Trennung von Amt und Mandat gelockert, bleiben Roth und Kuhn Parteichefs. Wird die jetzige Regelung bestätigt, werden die beiden zurücktreten. Hinter den Kulissen wird heftig darüber gestritten, ob für eine Satzungsänderung eine einfache oder eine Zweidrittelmehrheit aller Mitglieder reicht. Der Bundesvorstand hat extra ein Gutachten erstellen lassen und sagt: Einfache Mehrheit reicht.

Auf dem Parteitag in Bremen vor sieben Wochen war die Grünen-Führung mit ihrem „einfachen“ Antrag baden gegangen. Knapp über ein Drittel der Delegierten verhinderte die Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der „erweiterte“ Antrag über eine Urabstimmung auch scheitert. Die Grünen hätten dann eine erfolgreiche Parteiführung verloren und die Koalition hätte ein Problem mehr. Ganz zu schweigen von der Kleinigkeit, dass die Grünen neue Parteichefs wählen müssten, von denen niemand so recht weiß, wer das sein könnte. JENS KÖNIG