Kein kultureller Kleinkram

15 Jahre Arbeit nicht nur für die lokale Independent-Musikbranche: Gespräch mit RockCity-Geschäftsführerin Andrea Rothaug

Interview: ALEXANDER DIEHL

An diesem Wochenende feiert mit RockCity e.V. Hamburgs einflussreichste Interessenvertretung für den Musikbereich diesseits des hochkulturellen Subventionsbetriebs Jubiläum. Seit 15 Jahren widmet man sich an der Kleinen Freiheit der Unterstützung, Beratung und Vernetzung von Bands und Einzelmusikern, die eine Professionalisierung vor- oder bereits hinter sich haben. Das kann von der Tourbusvermietung bis zur Lobbyarbeit reichen. „Hamburg muss laut bleiben“ heißt das Geburtstagsevent, zu dem am Sonntag nicht nur Gratulanten geladen sind: Neben einem Konzert von mit RockCity assoziierten Acts soll ein Messeteil beteiligten Kleinen und Mittelständlern der kriselnden Musikbranche als Forum dienen.

Was diese vermeintlichen „Independent“-Schmuddelkinder des Musikbetriebs mit Standortsicherung und einer vielseitigen Kulturlandschaft zu tun haben, darüber sprach taz hamburg mit RockCity-Geschäftsführerin Andrea Rothaug.

taz hamburg: Haben sich die Ziele von RockCity im Laufe der 15 Jahre geändert?

Andrea Rothaug: Es hat keine 180-Grad-Wendung gegeben, aber wir gehen mit den Musikmarktveränderungen. Während vor 15 Jahren vielleicht noch der Veranstaltungssektor in den Vordergrund gestellt wurde oder ganz generell Strukturen für Popularmusik geschaffen werden mussten, geht es heute mehr um das Thema Musikvermittlung. Doch ist letztlich die Sache die gleiche geblieben. Allerdings sind die Gegebenheiten viel schlechter geworden. Und diesen Veränderungen wiederum müssen wir Rechnung tragen.

Der Beratungsbedarf ist also größer geworden?

Auch meine Vorgängerin hat den Arbeitsschwerpunkt schon auf die Beratung und die Events gelegt. Insofern war die Bude hier immer voll. Aber während es früher noch uncool – oder besser ungewohnt – war, sich fördern zu lassen, ist RockCity heute relativ etabliert – und in seiner Art die einzige Institution in Deutschland, die tatsächlich so eine enge Zusammenarbeit mit den Künstlern leistet. Wir haben heute 400 Mitglieder, davon sind die meisten aktiv.

„Hamburg muss laut bleiben“ ist aber keine nostalgische Erinnerungsveranstaltung?

Das stimmt: Anlass ist natürlich das Jubiläum. Auch dabei geht es wieder um diejenigen, die in unserem Förderkonzept sind: die Bands, die Clubs, die kleinen Betriebe. Wir wollten eine neue Veranstaltung für Hamburg etablieren, die sich der Marktveränderungen annimmt und zeigt, dass die wichtigen und guten Leute doch noch alle hier sind.

Inwiefern ist das auch eine Positionierung gegenüber der Politik, im Sinne von: Das alles gibt es (noch), tut etwas dafür?

Wir möchten zeigen, dass wir 15 Jahre existieren und das auch in Zukunft gerne möchten. Aber wir wollen auch zeigen, dass wir mit 66.000 Euro im Jahr eine ganze Menge bewegen können und dass darüber hinaus ganz deutlich wird, und zwar für alle, die in irgendeiner Form Entscheidungsträger sind, dass „independent“ eben nicht heißt: „kultureller“ Kleinkram, den man mal kurz von der Treppe putzen kann. Im Gegenteil; diese Künstler und Firmen sind der Humus, auf dem Großes entstehen kann. Und ein FiftyFifty-Buddy Holly-Hansaland-Kulturthema kann langfristig auch nur dann entstehen, wenn es das gibt, was wir hier machen. Ich bin mir nicht immer ganz sicher, ob das hinlänglich bekannt ist. Wenn wir eine vernünftig funktionierende Kulturlandschaft haben wollen, nämlich eine vielfältige, dann müssen wir unsere Fühler in alle Ebenen des Kulturgeschehens ausstrecken.

Ihr seid ja äußerst nützlich: Für eine Lokalpolitik etwa, die darauf setzt, dass Kultur sich selbst tragen muss und es sehr guter Argumente bedarf, wenn sie gefördert werden soll. Und die sich dann damit brüsten kann, was wir doch für eine vitale Landschaft haben. Habt ihr Sorge, in solcher Weise vereinnahmt zu werden?

Bisher nicht. Was wir wollen ist, unsere Arbeit machen, so unabhängig wie möglich, aber auch so institutionell wie möglich. Durch die behördliche Förderung stehen wir mit unseren Gönnern in engem Kontakt. Wenn also die Behörde ein Thema hat, bei dem Popularmusik und Politik eine Schnittstelle haben und Fachkompetenz gefragt ist, dann stehen wir in allen Fragen zur Verfügung. Wir empfinden das als vorteilhaft, weil wir genau da eingreifen können, wo ansonsten am grünen Tisch häufig mal Unsinn entsteht. Insofern sind wir auch über diese Lobbyarbeit sehr froh. Selbstverständlich steht es Herrn Uldall oder Frau Horáková frei, uns mit einer Alibifunktion zu belegen. Aber das steht ihnen sowieso frei. Ob wir mit ihnen sprechen oder nicht.

mit Ernst Kahl & Hardy Kaiser, KissKissBangBang, Eimsbush Family, Kajak, Rantanplan, Die Goldenen Zitronen und elf weiteren Auftretenden: Sonntag, 18 Uhr, Markthalle