Handbremse lockert sich langsam

Nach schwerer Verletzung und einem Jahr Zwangspause steigt Weltmeister Marko Baacke an diesem Wochenende wieder in den Weltcup der Nordischen Kombination ein

BERLIN taz ■ Die Gefühlswelt des Marko Baacke dürfte an diesem Wochenende ein wenig durcheinander geraten. Nach über einem Jahr Pause startet er wieder im Weltcup der Nordischen Kombination, nach dem gestrigen, von Björn Kircheisen gewonnenen Sprint, bei dem Baacke immerhin schon den 20. Rang belegte, stehen heute und morgen in Trondheim gleich noch zwei weitere Weltcup-Entscheidungen an.

Ein Jahr der Rehabilitation, des langsamen Herantastens an die alte Leistungsstärke liegt hinter dem schmächtigen 22-Jährigen aus dem Städtchen Ruhla im Thüringer Wald. Am 20. November 2001 ist er beim Training in Finnland schwer gestürzt, er schwebte in Lebensgefahr. Eine Niere und die Milz mussten ihm entfernt werden. „Erst einmal war ich froh, überhaupt zu leben“, sagt Baacke heute, wenn man ihn zu den Stunden nach dem Sturz befragt. „Aber dann kam unser Teamarzt Ludwig Geiger und meinte, dass ich auch mit einer Niere und ohne Milz Leistungssport machen kann. Das hat mir Auftrieb gegeben.“

Marko Baacke lebt für die Nordische Kombination. 2001 im Februar wurde er Weltmeister im Sprint, den lange Zeit in der Öffentlichkeit wenig beachteten Winterzweikampf rückte er wieder ins Rampenlicht. Und man glaubt ihm, wenn er ein wenig pathetisch sagt: „Der Sport, das ist mein Leben. Ich könnte mir nicht vorstellen, etwas anderes zu machen.“ Schritt für Schritt hatte er zunächst gelernt, mit seinem Körper, dem jetzt zwei Organe fehlen, zurechtzukommen. „Ich spüre gesundheitlich keine Beeinflussung mehr. Ich muss nur mehr trinken, etwa vier Liter am Tag“, sagt er. In den langen Wochen der Rehabilitation haben seine Mannschaftskollegen bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City die Silbermedaille mit dem Team gewonnen und Ronny Ackermann wurde Weltcup-Gesamtsieger. Marko Baacke musste vor dem Fernseher sitzen und zuschauen. „Die Erfolge der anderen waren Motivation, bald wieder dabei sein zu können.“

Das Lauftraining hat der Sportsoldat früh wieder aufgenommen, ist Kilometer um Kilometer gejoggt, mit Langlaufskiern oder mit Rollskiern gefahren. Und zuvor ist er sogar in der Reha-Klinik am Chiemsee heimlich Treppenstufen gestiegen, um seine Kondition nicht ganz einzubüßen. Im Laufen habe er auch jetzt wieder zur Weltspitze aufgeschlossen, meint Bundestrainer Hermann Weinbuch. Nur auf der Schanze sei er noch „ein bisschen verhalten“. Es sei nicht einfach gewesen, sich nach einem schweren Sturz wieder auf die Schanze zu wagen, sagt Baacke. Im Mai hat er seinen ersten Sprung in Oberhof auf der 70-Meter-Schanze absolviert. „Ich habe bewusst auf psychologische Hilfe verzichtet. Das hätte mir zu viel Druck gemacht. Ich wollte es allein schaffen. Ich habe auf meinen Körper gehört.“ Mittlerweile hat er schon wieder rund 300 Trainingssprünge hinter sich.

Auf die Teilnahme beim Saisonstart am vergangenen Wochenende in Kuusamo hat er verzichtet. „Wir wollten keinen Druck aufbauen. Immerhin war das die Schanze, wo er gestürzt ist“, sagt Weinbuch. Bei den Wettkämpfen in Trondheim gehört Baacke wieder zum Kader. „Ich fühle mich wohl in der Mannschaft“, sagt er. Er weiß, dass auch er sich erst durchsetzen muss. Immerhin haben seine Kollegen beim Weltcupauftakt in Kuusamo hinter dem Finnen Hannu Manninen die Plätze zwei bis sechs belegt und die Leistungsdichte im Team demonstriert.

Marko Baacke hat sich für die Saison keine Ziele gesetzt, er sagt: „Ich bin froh, überhaupt wieder dabei zu sein. Klar habe ich bei der Weltmeisterschaft 2003 einen Titel zu verteidigen. Aber niemand erwartet das von mir, ich kann ganz locker in die Wettkämpfe gehen.“ Und er weiß, dass er vor allem im Springen einige Probleme haben wird, mit den Besten mitzuhalten. Trainer Weinbuch macht ihm Mut: „Jetzt springt er noch mit angezogener Handbremse. Aber das wird sich mit den Wettkämpfen geben.“ KATHRIN ZEILMANN