Mit Riester den Fuß in die Tür

Versicherungsvermittler klagen über geringe Provisionen für Riester-Verträge. Das dämpft die Lust am Verkaufen. Kunden sollten sich nicht beirren lassen. Falschberatung führt zu Haftungsansprüchen

Allianz-Vertriebsvorstand Hansjörg Cramer ahnte ein Problem. Wenn in der zweiten Jahreshälfte 2002 „mehr als 25 Millionen förderberechtigte Arbeitnehmer mit ihren Ehegatten auf einen Schlag die Agenturen stürmen“, so der Spitzenmanager, „dann gute Nacht“. Die Beratungskapazitäten der Versicherer, die vor Banken und Sparkassen den Löwenanteil des Geschäfts mit den Riester-Verträgen machen, wären diesem Ansturm nicht gewachsen. Doch dieses im Spätsommer letzten Jahres skizzierte Szenario trat nicht ein.

Die Versicherungswirtschaft rechnet nun damit, dass bis Ende 2002 nicht einmal fünf Millionen staatlich geförderte Altersvorsorgeverträge abgeschlossen werden. Die Riester-Rente gilt bei den auf Provisionsbasis arbeitenden Außendienstmitarbeitern als sehr beratungsintensiv, und die Provision dafür ist ihnen offenbar nicht Ansporn genug. Dies gilt sowohl für private Riester-Rentenversicherungsverträge als auch für die betriebliche Altersvorsorge.

Zunächst zehn Promille der Beitragssumme bekam ein Vermittler für den Verkauf eines Vorsorgevertrags im Rahmen der Metallrente, des gemeinsamen betrieblichen Versorgungswerks von IG Metall und Arbeitgeberverband Gesamtmetall.

Inzwischen wurde die Provision für die Vermittlung eines Metallrente-Vertrags auf 16 Promille der Beitragssumme erhöht, um den Vertrieb auf Touren zu bringen. Das wären beispielsweise 345 Euro bei einem Vertrag mit einer Laufzeit von 18 Jahren und Beitragsleistungen von insgesamt 21.600 Euro. Ulrich Brock, Vizepräsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), hält diese Erhöhung aber nicht für ausreichend. „Angemessen wären 25 Promille“, sagt Brock. Also 540 Euro für das erwähnte Vertragsbeispiel.

Einträgliche Provision

Vermittlers Trost: In einem großen Unternehmen kann er den Arbeitnehmern einen Teil der benötigten Informationen beispielsweise auf einer Betriebsversammlung geben, die individuelle Beratung geht danach schneller. Und aufgrund der Masse der in einer Firma abgeschlossenen betrieblichen Altersvorsorgeverträge kann der Vermittler womöglich auf eine einträgliche Provision kommen.

Anders bei den privaten Riester-Rentenversicherungen. Hier muss er bei jedem Hausbesuch von neuem erläutern, worauf es bei der Riester-Rente ankommt. Und darauf sollte der Kunde auch bestehen. Als Provision sind für den Vermittler 19 Promille und mehr drin. Doch oft wird von der Beitragssumme, die als Bemessungsgrundlage dient, noch etwas abgezogen. Kriterien für diese Provisionsbremse sind beispielsweise: Wie lange arbeitet der Vermittler schon für die Gesellschaft? Verkauft er dem Kunden „im Paket“ noch weitere Versicherungen? Wie zahlungskräftig ist der Kunde? All dies fließt ein in den „Produktfaktor“ und den „Gewichtungsfaktor“, wie es im Versichererjargon heißt, und beeinflusst die Provision für die Vermittlung einer Riester-Rentenversicherung.

So macht die Allianz beispielsweise einem 31-jährigen Kaufmann einen Versicherungsvorschlag, bei dem bis zum Rentenbeginn in 35 Jahren Beiträge von insgesamt 7.908,60 Euro fällig werden. Die Abschlussprovision wird hier aber nicht auf dieser Basis berechnet. Vielmehr beträgt die „Bewertungssumme“ nur 6.050 Euro. Und entsprechend geringer ist die Provision.

Laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey liegt das Provisionsniveau für Riester-Produkte insgesamt „mindestens 20 bis 30 Prozent unter dem traditioneller Lebensversicherungsprodukte“. Und noch einen Nachteil haben die Riester-Verträge für den Vermittler. Die Abschlussprovision wird auf zehn Jahre gestreckt, doch versteuern muss er sie auf einen Schlag. Er zahlt also Steuern für Geld, das er noch gar nicht kassiert hat.

Attraktiv kann das Riester-Geschäft für den Vermittler aber dennoch sein: Mit der Riester-Rente, für die sich viele Kunden interessieren, bekommt er einen Fuß in die Tür und verkauft dann andere Vorsorgeprodukte gleich mit. Die Strategie der Versicherer müsse sein, so heißt es denn auch in der McKinsey-Studie, „mit der Riester-Rente als Türöffner systematisch neue Kundenverbindungen aufzubauen, die dann für das Cross-Selling weiterer Finanz- und Versicherungsprodukte genutzt werden“.

Der Kunde sollte sich diese Strategie des Vermittlers bewusst machen, bevor er ihn in die Wohnung bittet. Auch sollte er genau überlegen, von wem er sich in Sachen Riester-Rente beraten lässt. Es gibt bei den Vermittlern große Unterschiede. 90 Prozent der rund 410.000 Versicherungsvermittler in Deutschland arbeiten als Einfirmenvertreter. Sie verkaufen also nur die Produkte einer einzigen Versicherungsgesellschaft, mit der sie einen Vertrag abgeschlossen haben. Die meisten von ihnen sind nebenberuflich tätig. Mehrfachagenten, die für mehrere Versicherer arbeiten, haben zwar eine breitere Angebotspalette als Einfirmenvertreter, bieten aber doch nur einen kleinen Ausschnitt des Gesamtangebots. Dagegen sind Makler nicht auf bestimmte Gesellschaften festgelegt. Laut Rechtsprechung soll der Makler Interessenvertreter des Kunden sein. Deshalb haftet er auch selbst für mögliche Beratungsfehler. Im Idealfall überblickt der Makler das gesamte Angebot und wählt daraus das für den Kunden passendste aus. Allerdings finanzieren sich auch Makler über eine Provision. „Sie neigen daher dazu, das zu verkaufen, was ihnen höhere Gewinne verspricht“, sagt Elke Weidenbach, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Fragen an den Vermittler

Bevor der Kunde einen Vertrag abschließt, sollte er sich Klarheit über seinen zusätzlichen Vorsorgebedarf im Alter verschaffen und überlegen, mit welcher Variante der Riester-Förderung er ihn am besten decken kann.

Selbst Finanzdienstleister sehen die Gefahr einer Falschberatung bei Riester-Produkten. Wenn der Vermittler zum Beispiel nicht auf die Risiken eines Anbieterwechsels hinweist, könne dies „zu erheblichen Haftungsansprüchen“ gegen ihn oder den Anbieter des Produkts führen, warnt der Finanzdienstleister Delta Lloyd. Ob die Riester-Rente für die Versicherer ein gutes Geschäft wird, hängt also sehr von Seriösität und Betreuung ab. THEODOR PISCHKE