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: CHRISTIAN BUSS über die geopolitischen Verstrickungen des Horst Schimanski

Der Parka bleibt

Manchmal bestellen sie ein Stückchen Land; weit weg von den Obszönitäten der Zivilisation. Oder sie hausen auf Booten; in der Illusion, schnell den Anker zu lichten, wenn der Kampf gegen die Ungerechtigkeiten der Welt mal wieder auf ihrem Rücken ausgetragen werden soll. Natürlich legen sie dann doch nicht ab, schon weil ihr Boot meist keinen Motor hat.

So sind sie, die alten Krimi-Helden. Mit derselben Regelmäßigkeit, mit der andere Ruheständler zum Mallorca- oder Florida-Urlaub aufbrechen, starten sie ihre humanistischen Feldzüge. Also ziemlich genau einmal im Jahr.

Clint Eastwood war neulich in „Bloodwork“ unterwegs; jetzt ist Götz George dran. Als Horst Schimanski (So., 20.15 Uhr, ARD) arbeitet er konsequent an der Wiederkehr des Immergleichen: Die Konflikte der Welt mögen sich verlagern, sein Parka bleibt. Vor ein paar Jahren verschlug es ihn in die Wirren des Balkankriegs, für die neue Schimanski-Folge, „Asyl“, räumt er mit tschetschenischen Menschenschmugglern auf. Trotz geopolitischer Verstrickungen ist Schimanski kein Elder Statesman, sondern nur ein alter Knochen, der sich weigert, die Bekleidung und Allüren abzulegen, mit denen er in den Achtzigern erstmals zu großer Form auflief.

Er lässt keine Grausamkeit aus dem Katalog der geschmacklichen Entgleisungen aus. So steigt er in der heimischen Kajüte gerne in Gummilatzhosen, mit denen er aussieht wie ein Knirps im Schneeanzug. Doch wer mit überhöhter Geschwindigkeit zu überhitztem Punkrock durchs Bild fährt, so wie der Pensionär in der Eingangsszene der extrem gut fotografierten neuen Folge, dem steht auch Verbotenes.

Da unterscheidet sich Horst von Dirty Harry. Denn Eastwood trägt als alternder Held gediegene Baumwollkleidung und hört wohltemperierten Jazz. Eastwood spielt sogar mit den Zeichen des Verfalls; seiner letzten Filmfigur muss der Blutdruck gemessen werden. Das würde sich Götz George verbieten. Der Zustand der Physis seines Alter egos ist längst nicht mehr Thema, und die unvermeidlichen Platzwunden und Knochenbrüche bleiben folgenlos. Denn die Phase der Dekonstruktion hat Schimanski schon in den lustigen Neunzigern, wo alles durch den Kakao gezogen wurde, hinter sich gebracht. Jetzt agiert er mit neoklassizistischer Strenge.

Im neuen Film trägt er eine verwundete Tschetschenin ein paar Kilometer durch Grenzgebiet. Später wird die Frau gefragt, wie sich gefühlt hat. „Gerettet“, sagt sie ohne Ironie.

Seltsam: In der deutschen Fernsehlandschaft, in der immer mehr Ermittler immer häufiger in Erscheinung treten, ist Schimanski der einzige ernstzunehmde Charakter. Ein altersstarrer Held unter frühvergreisten Witzfiguren.