Lobby unterm Joch des Pfands

Lange hat die Einweglobby die Einführung des Dosenpfands boykottiert. Jetzt kriecht sie zu Kreuze. Ab 1. Januar geht’s hoch her beim Einzelhandel

von HANNES KOCH

Ab 1. Januar 2003 müssen die Verbraucher gewaltig aufpassen beim Getränkekauf. Folgende Varianten gilt es zu beachten: Manche Lebensmittelgeschäfte werden im Gegensatz zu den letzten Tagen des alten Jahres keine Getränke in Dosen mehr verkaufen. Auch Mineralwasser in Einwegflaschen wird man vergeblich suchen. In anderen Geschäften gibt es zwar weiterhin Dosen und Wegwerfflaschen für Bier, Cola, Wasser und Limonade, aber sie sind deutlich teurer als vorher. Hier hat das neue Einweg-Pfand mit 25 Cent pro Packung, bei großen mit 50 Cent zugeschlagen. Und drittens bieten viele Läden – sagen wir – noch am 6. Januar 2003 billige Dosen ohne Pfand an, doch einen Tag später sind die entsprechenden Regale verwaist. In diesem Fall haben wahrscheinlich ein paar Umweltschützer dem Ordnungsamt gepetzt, dass der Firmeninhaber kein Pfand erhebt. Das Amt erlässt ein Ordnungsgeld, worauf der Ladenbetreiber seine Dosen in den Keller räumt.

Die Verantwortung für dieses Durcheinander tragen im Wesentlichen die Dosenindustrie, einige Handelskonzerne wie Metro und Tengelmann sowie Wirtschaftsverbände, zum Beispiel der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HdE). Seit langem war klar, dass der zurückgehende Verkauf von Mehrwegflaschen Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) aufgrund der Verpackungsverordnung von 1991 kaum eine andere Möglichkeit ließ, als das Pflichtpfand einzuführen. Doch die Pfandgegner boykottierten, blockierten und klagten vor einem Dutzend Gerichten – bislang erfolglos.

Weil ihr jetzt nur noch drei Wochen bis zum Stichtag bleiben, musste die Wegwerflobby am Donnerstag am Abend zu Kreuze kriechen. Im Sitzungssaal von Trittins Ministerium erklärten die Pfandgegner offiziell, Rechtslage und Pfand nun doch zu akzeptieren. Sie bieten als Stichtag für die Einführung des Pfandsystems den 1. Juli 2003 an. Trittins Sprecher Michael Schroeren ist das zu wenig: „Wir fragen uns, ob es nicht früher geht.“

Das mag schon sein, aber objektiv nicht zum 1. Januar. Man kann nicht republikweit rund 60.000 Einzelhandelsgeschäfte und Konzernfilialen innerhalb von drei Wochen mit Rücknahmeautomaten ausrüsten. Und Metro, Aldi & Co. werden nicht pro Supermarkt eine zusätzliche Person anstellen, die die Dosen per Hand zurücknimmt und abrechnet. Was bleibt, sind der planmäßige, monatelange Verstoß tausender Geschäfte gegen die Rechtslage, Verfahren der kommunalen Ordnungsämter wegen Verstoßes gegen die Verpackungsverordnung, Ordnungsgelder von bis zu 50.000 Euro. Die Deutsche Umwelthilfe hat bereits angekündigt, ihre Mitglieder ausschwärmen zu lassen, um die Verächter der Pfandpflicht bei den Behörden anzuschwärzen. Eine Alternative: Aldi und Kaufhof bestellen in den letzten Wochen des alten Jahres keine Getränke in Einwegverpackungen mehr und steigen auf Mehrweg um. Damit würden sie das tun, was das Umweltministerium erreichen will.

Dass die Pfandgegner nun unter enormem Druck stehen, freut besonders Günther Guder in Düsseldorf. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes des Getränkefachgroßhandels bevorzugt Mehrweg. Er sieht keinen Grund, einen Kompromiss mit den Pfandgegnern zu suchen. „Wir führen das Pfand zum 1. Januar ein“, sagt Guder. Einige tausend Geschäfte würden sich daran beteiligen – viel weniger zwar, als die Pfandgegner vertreten, aber immerhin.

Damit entsteht eine merkwürdige Situation: In den meisten Getränkemärkten werden die Dosen und Wegwerfflaschen teurer, aber die Kunden bekommen das Pfand in diesen Geschäften auch zurück. Nebenan bei Aldi & Co. wird es keine Dosen mehr geben, oder sie werden quasi illegal ohne Pfand verkauft. Daraus entsteht ein Wettbewerbsnachteil für die rechtstreuen Firmen – sie müssen ihre Waren teurer verkaufen.

Wie geht man damit um in den ersten Monaten des Jahres 2003? „Das wird der Markt entscheiden“, sagt Pfandlobbyist Guder. Soll heißen: Wenn es einem Ladenbesitzer, der Pfand erhebt, zu bunt wird, schickt er seiner pfandlosen Konkurrenz eben das Ordnungsamt auf den Hals.

Trittins Sprecher Michael Schroeren gibt unterdessen einen Rat, der in jedem Fall richtig ist, besonders für die Konsumenten: „Mehrweg existiert seit Menschengedenken, und jeder weiß, wie es funktioniert.“