Westen will nicht abgeben

In Gröpelingen regt sich Protest gegen die Sanierungsabgabe, die auf Grundbesitzer zukommt. „Warum sollen wir zahlen, wir haben ja auch nichts gekriegt, als der Stadtteil runtergekommen ist.“

Nachdem 250 Menschen im Kirchensaal von St. Andreas versammelt waren, schloss der Hausmeister den Raum wegen Überfüllung. Drinnen richteten sich die Forderungen zwar nicht an den Allerhöchsten, aber ein paar Takte Unmut wollte man schon nach oben durchgeben.

Oben ist in diesem Fall das Amt für Wohnungs- und Städtebau. Es ist zuständig für die Sanierung des maroden Stadtteils Gröpelingen im Bremer Westen und es will nach Abschluss der Sanierung im Jahr 2006 Geld von allen Grundbesitzern, die von den neuen Straßen und schöneren Plätzen profitieren. Sanierungsabgabe heißt das Wort, das in den Ohren der Gröpelinger so hässlich klingt und das die Stadt von allen, deren Grundstücke durch die Maßnahmen im Wert gestiegen sind, einzuziehen berechtigt ist. Ein unabhängiger, von der Handelskammer einberufener und vereidigter Gutachterausschuss, dem Mieter- und Vermietervertreter, Architekten, Makler und Bankkaufleute angehören, bewertet die Grundstücke nach Abschluss der Sanierung. Zwischen 5.000 und 15.000 Euro können nach vorläufigen Schätzungen auf die Grundbesitzer zukommen.

„In Gröpelingen ist das viel Geld“, sagt der Sprecher der Betroffenen, Günter Reichert, der am letzten Donnerstag zur Versammlung in den Kirchensaal eingeladen hatte. Er sehe ein, dass es Spekulanten gebe, die die Wertsteigerung sofort in bare Münze verwandelten, „aber dann reicht es doch, wenn die Leute dann bezahlen, wenn sie ihr Haus verkaufen.“ Die Kritik am Verfahren geht jedoch noch tiefer: „Gröpelingen hat nach dem Niedergang der Werft eine schwere Depression durchgemacht, die Mieten wurden billiger, auch sonst ging manches bergab. Dafür haben wir doch auch keinen Ausgleich von der Stadt gekriegt. Warum sollen wir jetzt zahlen, wo endlich was dagegen getan wird?“ Die Gröpelinger haben hier die volle Unterstützung des Ortsamtes: „Die Stadt repariert hier etwas, was sie selbst mit verursacht hat“, so Ortsamtsleiter Hans-Peter Mester. Er weiß mit dieser Argumentation auch andere Bezirke an seiner Seite. Sowohl in Vegesack wie auch im Ostertor kämpfen Bürger und Beiräte gegen die Abgabe – in Vegesack scheiterten Kläger allerdings durch alle Instanzen. Denn nach dem bundesweit geltenden Städtebauförderungsgesetz hat die Stadt keine Wahl: Wenn sich aus einer Sanierung erhebliche Wertsteigerungen ergeben, muss die öffentliche Hand einen Teil davon abschöpfen. Nicht so in anderen Sanierungsgebieten, die im Amtsdeutsch „nach vereinfachtem Verfahren“ durchgeführt werden – etwa das an der Waller Heerstraße: die Grundstückseigner werden hier nicht wesentlich profitieren.

Die findigen Gröpelinger haben allerdings ein paar Schleichwege gefunden, auf denen sie der Abgabe entkommen können. Da die EU aus dem „Urban-Topf“ Sanierungsgelder beigeschossen hat – allein im Lindenhofquartier rund 15 Millionen Euro –, könnte es für die Stadt kompliziert werden. Im schlimmsten Fall muss das eingesammelte Geld nach Brüssel zurückgegeben werden. „Dann kann man’s ja gleich lassen“, schlägt Reichert vor. Nach einer Klausel des Bundesbaugesetzes muss die Abgabe nicht erhoben werden, wenn der Verwaltungsaufwand höher als die zu erwartenden Einnahmen ist. Eine andere Argumentation wird das Amt wohl nicht überzeugen: Die Betroffenen halten die Abgabe für rechtlich anfechtbar, weil man die wertsteigernden Effekte des Space Parks von denen der Sanierung nicht trennen könne. Aber, so Volker Schweser vom Amt für Städtebau: „Der Space Park liegt ja gar nicht im Sanierungsgebiet.“ hey