Knappsen an der Therapie

Knappe Kassen lassen die Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen findig werden: Die interpretiert jetzt das Sozialgesetz um und erschwert drogenkranken Knastinsassen den Zugang zur Therapie. Beratungsstellen schlagen Alarm

Wer die Therapie abbricht,muss zurück in die Zelle„Aber manche schaffen es, von denen selbst ich es nicht gedacht hätte“

Alle sparen. Die Krankenkassen sparen. Die Sozialbehörde guckt auf den Cent. Wenn es um Therapieplätze für Drogenkranke geht, erweist sich derzeit allerdings die Landesversicherungsanstalt Bremen-Oldenburg als härteste Nuss. Sie liegt als Kostenträgerin für Drogentherapien im Clinch mit dem Bremer Landesdrogenbeauftragten Anton Bartling und dem Justizressort.

Anlass für die Kontroverse war eine neue, eigenwillige Auslegung des Sozialgesetzbuches seitens der LVA: Man müsse Menschen in Haft überhaupt keine Drogentherapie zahlen, wiesen die Versicherer Therapie-Anträge von Gefangenen seit Spätsommer reihenweise ab. Drogenberatungen und Therapieeinrichtungen hatten daraufhin beim Landesdrogenbeauftragten Bartling Alarm gesschlagen: Das widerspreche dem Gesetz.

Gemeint ist § 35 des Betäubungsmittelgesetzes. Der knapp 20 Jahre alte Paragraph garantierte bislang, dass wer eine Haftstrafe unter zwei Jahre antritt, oder nur noch zwei Jahre Knast vor sich hat, vorzeitig entlassen werden kann – in „Therapie statt Strafe“. Wer allerdings die Therapie abbricht, muss zurück in die Zelle.

Mittlerweile hat die Landesversicherungsanstalt offiziell eingelenkt. Der Landesdrogenbeauftragte bestätigt gegenüber der taz, dass das bisherige Verfahren wieder Geltung haben soll. Die LVA habe inzwischen Fehler eingeräumt und zugesagt, dass Therapien für Häftlinge nicht grundsätzlich abgelehnt würden. Doch sollten schärfere Kriterien hinsichtlich der Motivation der therapiewilligen Insassen gelten. „Das wird sicher mit der finanziellen Situation zu tun haben“, sagt Bartling.

Tatsächlich weiß niemand, welchen Erfolg Drogentherapien an Haftentlassenen haben. Eine ältere Untersuchung geht laut Bartling zwar davon aus, dass sie sinnvoll seien. Doch plane das Bundesministerium mangels verlässlicher Daten nun im Rahmen des „Aktionsplans Drogen und Sucht“ eine wissenschaftliche Untersuchung dazu.

Die LVA ficht das nicht an. Die Patientengruppe der Haftverschonten breche die Therapie überproportional oft ab, heißt es dort. Vor allem aber klagten Therapeuten darüber, dass die mangelnde Therapiemotivation von Haftentlassenen „die Gruppen kaputt machen“. Das sei Anlass zum Handeln gewesen. „Wir hatten auch das Gefühl, hier wird unser Wohlwollen missbraucht“, wiederholt LVA-Sprecher Rathmann gegenüber der taz eine Position, die die Bremer Behörden eigentlich für beigelegt hielten: „Wir müssen das nicht finanzieren. Wer in Haft sitzt, kann im Grunde keine Therapie kriegen.“ Um dann gnädig hinzuzufügen: „Wir gewähren sie aber im Gesamtinteresse.“

Das alles erschwert die Arbeit des Drogenberaters im Bremer Knast. Thomas Behrend muss Therapie-Anträge von Gefangenen bearbeiten, die neuerdings erst im Widerspruchsverfahren bewilligt werden. Das belaste ihn und die Gefangenen, denn: „Diese Verzögerungstaktik führt oft zum Verlust des Therapieplatzes.“ Keine Einrichtung halte einem Gefangenen den Platz auf unabsehbare Zeit frei, wenn die Kostenübernahme wackelig sei. Instabil seien auch die Abhängigen selbst, für die Therapie ein großer Schritt sei – der Bestätigung statt Beschuss brauche. Eine „positive Prognose“ zur Voraussetzung für die Therapie zu machen, sei gewagt. Natürlich machten von den 35 Bremer Knackis, die alljährlich antreten, um clean zu werden, viele mehrere Anläufe. „Aber manche schaffen es, von denen selbst ich es nicht gedacht hätte“, sagt Behrend. ede