Alles richtig gemacht

Kein Sinn für große, tragisch scheiternde Rockhelden: Die Foo Fighters zeigten in der Arena, wie man richtig losrocken und trotzdem mit sich selbst im Reinen sein kann

Dave Grohl ist ein Guter. Er war einst der Schlagzeuger von Nirvana, er übt diesen Beruf heute noch bei einer Band namens The Queen Of The Stone Age aus, wenn auch nur in Teilzeit, und er hat als ganz junger Mensch eine Band geliebt, die in der Heldengalerie des US-Punkrock zu Recht einen Platz auf dem Treppchen einnimmt: Hüsker Dü. Eine Liebe, die Grohl zumindest an diesem Samstagabend in der Arena mit nur wenigen Menschen teilen kann. Als er beim Auftritt der Foo Fighters, denen Grohl hauptberuflich als Sänger, Gitarrist und Songschreiber vorsteht, ins weite, fast ausverkaufte Rund fragt, wer denn Hüsker Dü kenne, sind es nur wenige Arme, die sich ihm entgegenstrecken: Die große Zeit von Hüsker Dü waren die mittleren Achtziger, und Foo-Fighters-Fans sind entweder sehr jung oder interessieren sich nur bedingt für Rockgeschichte und sympathischerweise wohl gar nicht für Achtzigerjahre-Revivals.

Was Grohl trotzdem nicht davon abhält, allein mit seiner E-Gitarre „Never Talking To You Again“ anzustimmen, Grant Harts großartige Zweiminuten-Ballade von Hüsker Düs vermeintlich legendärem Doppelalbum „Zen Aracade“ (ich tauschte damals „Zen Arcade“ gegen das Debütalbum der Britpop-Band Mighty Mighty, bereue ich bis heute nicht!). Ein schöner Moment, aber auch ein gefährlicher.

Denn nach diesem kleinen und gelungenem sentimentalen Ausflug in die Vergangenheit braucht es schon ein paar Minuten, um wieder anzukommen in der Foo-Fighters-Gegenwart.

Wie einst Hüsker Dü geht es auch Grohl mit seinen Foo Fighters darum, immer schön nach vorn zu spielen, immer schön Druck aufzubauen, und diese ganze Power dann mit schönen Melodien zu versehen. Nur ist Dave Grohl leider ein nicht ganz so begnadeter Songschreiber wie Grant Hart – auf den Foo-Fighters-Alben findet sich neben nicht wenigen Hits eine Menge Füllmaterial, das wenig sagt und im besten Fall nett ist. Allerdings sind die Foo Fighters hartnäckig drangeblieben, nachdem sie 1995 von Grohl nach dem Nirvana-Ende gegründet worden waren. Mit vier Alben haben sie sich eine stetig wachsende Fangemeinde aufgebaut und sind Stammgast in der Großrock-Liga geworden – so wie Nirvana auf ihrer letzten Deutschland-Tour die 8000er-Hallen bespielen sollten, so machen das acht Jahre später die Foo Fighters. Aber warum auch nicht?

Schaut man sich Grohl so auf der Bühne an, wie er dort herumturnt in Turnschuhen, Jeans, einem schwarzen langärmeligen Sweatshirt, einem weißen T-Shirt drüber und mit längeren schwarzen Haaren, wie er seine Witzchen über die Haarpflege seiner Bandkollegen macht, wie er sich anderthalb Stunden schwer rockend ins Zeug legt und sein Publikum gut zu unterhalten weiß, dann weiß man: Es ist gerade nicht die Zeit der großen, tragischen Rockhelden. Zumindest hat Grohl damit nichts an der Gitarre.

Sollen doch nach der Veröffentlichung der Cobain-Tagebücher noch einmal die Nirvana-Exegeten auf den Plan treten, Grohl ist das egal. Er will seinen Spaß, ob bei Queens Of The Stone Age oder mit den Foo Fighters. Er will Songs schreiben, er will trommeln, er will gesunden Rock ’n’ Roll, er ist mit sich im Reinen. Keine Zweifel, keinen Selbsthass, Rock 2002. Und so kennen die Foo Fighters auch nichts, als sie nach dem traurigen, sich in den Weiten der Arena versendenden Auftritt der Britpop-Band Supergrass sofort in die Vollen gehen: „All My Life“, „Learn To Fly“ „This Is A Call“, „For All My Cows“. Schlag auf Schlag, Hit auf Hit, und das Publikum, egal ob in Strokes-, Monster-Magnet-, New-Model-Army- oder Supergrass-T-Shirts, bewegt sich bis in die letzten Winkel der Arena energisch mit.

Kurz vor den Zugaben kommt schließlich noch einmal die Vergangenheit zum Zug. Grohl baut Teile von Jim Morrisons „The End“ in einen Song und erlaubt sich zu sagen, gern einmal wie die Doors klingen zu wollen – nur um dann umso energischer im einmal festgezurrten Power-Pop-Sound fortzufahren. Mutig ist der Mann, keine Frage, und wirklich ein Guter, der im Moment alles richtig macht und sehr richtige Musik spielt.

GERRIT BARTELS