Sägen an den Steuerplänen

Bei der Mehrwertsteuer hoffen die Verbände jetzt auf den Bundesrat – und setzen ihre Proteste fort

aus Berlin SEBASTIAN STOLL

Heute bekommt die grüne Verbraucherministerin Renate Künast Besuch – vom Deutschen Bauernverband. Das wichtigste Thema, das die Verbandsvertreter zum Gespräch mit der Ministerin drängt, sind die geplanten Mehrwertsteuererhöhungen. Die Bundesregierung will für landwirtschaftliche Vorprodukte wie lebende Tiere, Futtermittel oder Saatgut künftig den vollen Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent erheben. Schützenhilfe erhielten die Bauern zum Wochenende vom niedersächsischen Landwirtschaftsminister Uwe Bartels (SPD). Er kündigte an, die Regelung über den Bundesrat zu Fall zu bringen. Zuvor hatte bereits seine Kieler Amtskollegin Ingrid Franzen (SPD) die Neuregelung kritisiert.

Anders als die Bauern tragen weitere Berufsgruppen, die von den Steuerplänen betroffen sind, ihren Protest bereits auf die Straße. Ihnen drohen nicht nur erhöhte Steuern für Zahnersatz – sondern auch noch Einsparungen durch das Vorschaltgesetz von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Bereits am 11. November hatten etwa 3.000 Beschäftigte vor dem Brandenburger Tor demonstriert, seitdem verfolgt die Branche eine Art Guerillataktik. „Fortlaufend“, so Michael Prehn vom Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI), würden einzelne Landesverbände sporadische Aktionen organisieren. So hätten sich vorvergangenen Mittwoch „mehrere hundert“ Beschäftigte vor der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg festgekettet. Weitere Protestaktionen würden folgen. „Das wird dezentral über die Landesinnungen gefahren.“

Auch die deutschen Floristen protestieren öffentlich. Der Präsident ihres Fachverbandes, Karl-Heinz Newels, sieht 43.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Kein Florist könne seinen Kunden erklären, warum sie für Blumen „nunmehr fast zehn Prozent mehr“ bezahlen müssten. Nachdem sich die Blumenkönigin schon vor dem Brandenburger Tor aufbaute, werden die Gartenbauer am Mittwoch in Dortmund mit mehreren hundert Teilnehmern demonstrieren.

Allerdings entscheiden sich nicht alle Interessenverbände für den Straßenkampf. Die Luftfahrtindustrie geht diskreter vor. Esther Tromp-Koppes vom „Gesprächskreis Tourismusindustrie“ des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI): „Wir machen ein Hintergrundgespräch und holen alle Beteiligten an einen Tisch.“ Wichtiger als Straßenprotest sei, „die Parlamentarier auf die Folgen ihres Handelns aufmerksam zu machen“. Deutschen Fluggesellschaften entstehe durch die Einführung einer Mehrwertsteuer auf grenzüberschreitende Europaflüge ein entscheidender Wettbewerbsnachteil. Ähnlich sieht es der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger. Demonstrationen seien „nicht unser Stil“, sagte Justiziar Dirk Platte. Statt dessen setze man auf „die Kraft des Wortes und des Bildes, und das passt alles in einen DIN-A4-Umschlag“ – adressiert an Entscheidungsträger. Zudem seien Aktionen einzelner Verleger wahrscheinlich: „Die Betroffenen sind auf 180. Die können wir gar nicht zurückhalten.“