Grüne wählen Ersatzbank

Angelika Beer und Reinhard Bütikofer mangels Alternativen zu neuen Sprechern der Grünen gewählt. Keine Ausnahmeregelung für die bisherigen Parteichefs Roth und Kuhn

BERLIN taz ■ Die beiden hatten sich von der politischen Bühne schon verabschiedet – jetzt finden sie sich unverhofft an der Parteispitze wieder. Die 45-jährige Exbundestagsabgeordnete Angelika Beer und der 49-jährigen Exbundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer wurden gestern ohne jeden Enthusiasmus zu neuen Grünen-Vorsitzenden gewählt. Beer war von ihrem schleswig-holsteinischen Landesverband im Mai nicht mehr aufgestellt worden, und Bütikofer hatte längst angekündigt, dass er für seinen bisherigen Führungsposten nicht mehr kandidieren wolle.

Nötig geworden war die Neuwahl, weil der Grünen-Parteitag in Hannover den bisherigen Vorsitzenden Fritz Kuhn und Claudia Roth (beide 47) auch für eine Übergangszeit nicht erlauben wollte, Parteiamt und Bundestagsmandat gleichzeitig auszuüben. Nach einer turbulenten Debatte, in die sich auch Außenminister Joschka Fischer einschaltete, fand sich in der Nacht zum Sonntag nicht die nötige Zweidrittelmehrheit. 457 von 697 Delegierten stimmten für eine Satzungsänderung zugunsten von Roth und Kuhn. Das waren nur acht Stimmen weniger als nötig. Auf dem letzten Parteitag Mitte Oktober in Bremen hatten noch 20 Stimmen gefehlt, um die Trennung von Amt und Mandat aufzuheben.

Die Entscheidung bleibt jetzt der Basis bei einer Urabstimmung überlassen, die der Parteitag mit großer Mehrheit beschloss. Die Befragung soll am 23. Mai 2003 stattfinden, dem 54. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes. Die Parteimitglieder sollen über die Frage entscheiden, ob ein Drittel der sechs Bundesvorstandsmitglieder künftig Amt und Mandat gleichzeitig ausüben darf. Nach der Parteisatzung genügt die einfache Mehrheit.

Nach der Abfuhr für Roth und Kuhn suchten die grünen Führungskräfte in einer Nachtsitzung zunächst ergebnislos nach einer Nachfolgelösung. Im Gespräch waren neben Beer und Kuhn auch die Sozialexpertin Thea Dückert, Verbraucherschutz-Staatssekretär Matthias Berninger und der Vorsitzende der Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks. Zumindest die Inhaber von Mandaten waren aber nicht bereit, ihre Posten für den Schleudersitz des Parteichefs aufzugeben.

Die Exvorsitzenden Roth und Kuhn bleiben in der grünen Führungsspitze. Sie wurden gestern in den einflussreichen Führungszirkel, den Parteirat, gewählt. Roth erhielt 471 Stimmen (75,4 Prozent), Kuhn 334 Stimmen (76,3 Prozent). RAB

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