24 Stunden Wiehern

Zwei leidenschaftliche Pferdenarren beschäftigen sich Tag und Nacht mit nichts anderem

Bei der Frage, ob er nicht ein wenig ein Spinner sei, nickt Georg Miller zustimmend, fast so, als hätte er eben das größte denkbare Lob eingeheimst. Einen kleinen Nachsatz feuert er dann aber mit einem kampfeslüsternen Funkeln in den Augen doch noch ab. „Ein kreativer Spinner – das bin ich gerne.“ Und da nickt die Frau an seiner Seite und beteuert, er sprühe nur so von Ideen, der Miller Schorsch.

Schorsch ist bekennender Rundum-Pferdenarr. „Ich bin jetzt 50 Jahre alt, und 50 Jahre lang hat mich dieses Pferdevirus infiziert.“ Er und seine Freundin, Margarete Müller, sind 24 Stunden täglich und 365 Tage im Jahr mit Pferden beschäftigt.

Als Kind schon träumte Bauer Georg von einem Pferdehof, wie ihn der Großvater hatte. Dass der Vater auf Rinderzucht gesetzt hat, wollte Klein Georg nie verstehen. Seine Lebensgefährtin ist nicht weniger pferdebegeistert. In Ermangelung eines solch edlen Tieres ritt sie als Kind sogar auf Kälbern vom Feld nach Hause.

In der guten Stube des Reiterhofes steht das Holzschaukelpferd, das auch einen Erwachsenen gut aushält. Daneben sind geschnitzte Pferdeköpfe aus der Miller’schen Staudenpferdekollektion als Tischfiguren aufgebaut; ein wahrlich knuddeliges Plüschpferd, ganz in Schwarz, steht auf dem Esstisch, und von draußen ist das Wiehern von echten Pferden zu hören, die hinter einem Holzzaun stehen, der zumindest teilweise aus geschnitzten Pferdekopfholzlatten besteht.

Müller und Miller haben tatsächlich nichts anderes im Herzen als die von ihnen über alles geliebten Pferde. Da kann es nicht ausbleiben, dass bei Bauer Georg die Liebe zum Pferde längst die Grenze zwischen Beruf und Hobby vermischt hat. Zehn Jahre lang hat der studierte Betriebswirt und gelernte Bauer Islandpferde gezüchtet und inzwischen seine eigene Gattung – die Staudenpferde. Die „Stauden“ sind ein Landschaftszug südwestlich von Augsburg, eine dörflich geprägte Region, die durch so manche Eigenart – vor allem die Sturheit – bekannt ist. „Das Staudenpferd ist ein Pferd, dass sich sehr genügsam der Umgebung anpasst. Es können sowohl Erwachsene als auch Kinder darauf reiten.“ Staudenpferde seien Naturpferde, die der Sonne ebenso wie dem Regen trotzen und ganzjährig ohne Stall gehalten werden könnten.

Und weil seine Margarete und er nach dem Pferdeversorgen, den Reitstunden, der bäuerlichen Alltagsarbeit von Pferden noch immer nicht genug hatten, haben sie vor einiger Zeit begonnen, sich eine eigene Pferdekollektion auszudenken. Das Herzstück des Ganzen ist ein etwas ungewöhnliches Spiel, das Miller und Müller in Hunderten von Stunden immer weiter verfeinert und somit zur Serienreife gebracht hat: das Pferdemistspiel.

„Das ganze Spiel ist eine Kombination mit Figuren aus Schach und Dame“, erklärt der Spieleerfinder. Vom klassischen Rösselsprung spricht Miller, kaum dass er das Spiel aufgebaut hat: „Es geht, wie im richtigen Leben der Pferde, ums Äpfeln.“ Im Spiel muss versucht werden, die Äpfel vom Gegner in den eigenen Garten zu bringen. Dort wachsen Karotten, und es gibt einen Hasen, der die Karotten fressen will …

Die ersten beiden Kleinserien sind längst vergriffen. Vor kurzem wurde nach langem Warten endlich eine weit größere Auflage mit 2.000 Spielen fertig gestellt – rechtzeitig für die langen Spätherbst- und Winterabende.

KLAUS WITTMANN