DB fährt weiter auf alter Schiene

Expertenkommission stellt Zwischenergebnis zur Trennung von Bahnbetrieb und Schienennetz vor. Doch allen Bemühungen zum Trotz: Ein großer Teil der Nahverkehrsstrecken geht nach wie vor ohne Ausschreibung an die Deutsche Bahn AG

von ANNETTE JENSEN

Die Deutsche Bahn erledigt gegenwärtig 50 Prozent des Nahverkehrs, ohne dass sie dafür einen schriftlichen Auftrag hat. Ende des Jahres laufen weitere 22 Prozent der Verträge zwischen Landesregierungen und DB AG aus. Doch nun stehen die Verhandlungen über neue Langfristkontrakte überall kurz vor dem Abschluss. Was dabei herauskommt, halten die im Verband „MehrBahnen“ organisierten Konkurrenten der DB für grob wettbewerbsfeindlich.

In einigen Ländern sollen bis 2012 gerade einmal 10 Prozent der Strecken durch Ausschreibung vergeben werden. Und die DB bestimme auch noch mit, wann das geschieht und welche Trassen das sind, so die Kritiker. Birgit Roeher von der DB kontert: „Entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen entscheidet die zuständige Bestellorganisation, welches Volumen in den kommenden Jahren über Wettbewerbsverfahren vergeben wird.“

Möglich geworden ist die weitgehende Ausschaltung der Konkurrenz durch die handstreichartige Gesetzesänderung unmittelbar vor der Bundestagswahl. Bundeskabinett und Bundesrat hatten – unter Umgehung des Bundestags – eine Änderung der Vergabeverordnung beschlossen. Darin legten sie fest, dass eine freihändige Vergabe weiterhin möglich sein soll, sofern wesentliche Teile des jeweiligen Landesnetzes innerhalb von zwölf Jahren in den Wettbewerb gehen. Damit wurde der Beschluss der Vergabekammer Magdeburg aus dem Frühjahr ungültig, der eine Ausschreibung aller Bahnnetze – zunächst allerdings nur für Sachsen-Anhalt – zwingend vorschrieb.

Vermutlich werden die mit heißer Nadel gestrickte Vergabeverordnung und die darauf basierenden Verträge mit der DB aber schon bald wieder die Juristen beschäftigen. Denn während im Haupttext der Verordnung steht, „ein wesentlicher Teil“ des Schienenverkehrsangebots müsse in den kommenden Jahren ausgeschrieben werden, heißt es in der Begründung „der wesentliche Teil“ – was wohl kaum anders interpretiert werden kann als „über 50 Prozent“.

Bundesweit wurden bisher nur 12 Prozent der Bahnstrecken nach einer öffentlichen Ausschreibung vergeben. Unbestrittener Vorreiter in puncto Wettbewerb ist mit 45 Prozent Schleswig-Holstein. Erstmals sieht sich die DB dort nun auch auf einer Hauptstrecke mit Konkurrenten konfrontiert: Am Wochenende vor Weihnachten endet das Bewerbungsverfahren für die Strecke Hamburg–Westerland. Acht Anträge werden in Kiel erwartet. Nicht nur der günstigste Preis, sondern auch die Qualität des Gesamtangebots soll den Ausschlag geben. „Wir haben bisher nur gute Erfahrungen mit dem Wettbewerb gemacht. Alle bisherigen Ausschreibungen führten zu mehr Service, Komfort und Qualität für die Fahrgäste und zu einer merklichen Kostensenkung für das Land“, bilanziert Bernd Rohwer, Verkehrsminister in Kiel.

1 bis 2 Euro pro Zugkilometer habe das Land durch die Ausschreibungen gespart und dafür sogar eine verbesserte Qualität auf den nicht ausgeschriebenen Strecken erreicht. Im Klartext: Die DB strengt sich dort mehr an als früher. Auch die Befürchtung vieler Skeptiker, dass die Fahrgäste bei einer Reise quer durch die Republik mehrere Tickets lösen müssen, ist nicht eingetroffen. Im Gegenteil. Ab dem 15. Dezember gelten in allen Nahverkehrszügen einheitliche Tarife und Fahrscheine.