Zypern-Einigung erst Juni 2003?

aus Istanbul JÜRGEN GOTTSCHLICH

„Es gibt noch Spielraum, der deutsch-französische Vorschlag ist nicht das letzte Wort.“ Vor seinem Abflug nach Washington, wo Tayyip Erdogan, Chef der Regierungspartei AKP, heute mit Präsident Bush zusammentreffen wird, machte der starke Mann der türkischen Politik sich selbst noch etwas Mut.

Die Festlegung von Bundeskanzler Schröder und Präsidenten Chirac, der Türkei den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen frühestens für Juli 2005 in Aussicht zu stellen, hat in Ankara für erhebliche Verstimmung gesorgt. Ministerpräsident Abdullah Gül bezeichnete den Vorschlag als unakzeptabel.

In sämtlichen türkischen Medien wird täglich neu gewichtet, welches EU-Land welche Position gegenüber der Türkei haben könnte. Nachdem lange der Eindruck erweckt worden war, eine Mehrheit sei geneigt, dem türkischen Wunsch nach einem Datum für den Verhandlungsbeginn entgegenzukommen, wirkte der Vorschlag aus Berlin und Paris wie eine kalte Dusche. Nicht nur die Regierung, auch die Opposition, die Wirtschaftsverbände und andere gesellschaftliche Gruppen hatten in den letzten Wochen versucht, mit ihren Mitteln die Annäherung an die EU zu unterstützen.

Als Erster versuchte am Wochenende der Chef der türkischen Zyprioten, Raulf Denktasch, die vorhersehbare Enttäuschung in Ankara für sich zu nutzen. Er drohte die Verhandlungen über den UN-Plan für die geteilte Insel abzubrechen, falls die EU allein dem griechischen Teil Zyperns in Kopenhagen einen Beitritt anbieten sollte. Die türkische Regierung betonte dagegen, auch in diesem Fall weiter über Zypern verhandeln zu wollen. Hinter den Kulissen wird Denktasch bearbeitet, noch vor dem Gipfel einen deutlichen Schritt zu machen. Auch das Treffen Erdogans mit Bush soll dazu dienen, den Druck auf die Parteien in Zypern zu erhöhen.

Der amerikanisch-türkische Gipfel soll aber Erdogan noch einmal einen Schub für Kopenhagen geben. Die USA haben bereits mehrfach deutlich gemacht, dass sie ein Datum für die Türkei sehr begrüßen würden. Sie verbinden damit strategische Interessen, aber auch die Hoffnung, für ihr Engagement von der Türkei bei einem Irakkrieg entschädigt zu werden.

Die türkische Regierung setzt nun ihre Hoffnung in einen Kompromiss, der zwar kein festes Datum beinhaltet, zumindestens aber den möglichen Verhandlungsbeginn in nicht allzu große Ferne legt. Außenminister Yakis sagte in einem Interview, man könne sich auch mit einem Termin für einen Termin abfinden, wenn der Verhandlungsbeginn Anfang 2004 liegt. Bis zum EU-Gipfel in Thessaloniki im Juni 2003 hätte die Türkei alle Reformen so weit umgesetzt, dass die EU die Ergebnisse beurteilen könne.

Hinter der Terminfrage stehen zwei Überlegungen: Ankara hofft, bis zum Thessaloniki-Gipfel weiter über Zypern verhandeln zu können – um dann zeitgleich mit einer Zypern-Lösung ein Datum in 2004 zu bekommen. Dieses Jahr ist aus türkischer Sicht deshalb so wichtig, weil man dann zumindest zeitgleich mit der Osterweiterung die Beitrittsverhandlungen beginnen könnte. Ansonsten müsse man auch noch die Neumitglieder von der EU-Tauglichkeit der Türkei überzeugen.