Im Rahmen der Fortschreibung

Bremen bewirbt sich um den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ 2010. Finanzielle oder gar inhaltliche Konzepte sind bisher allerdings dem Parteienstreit zum Opfer gefallen

Die Forderung: Nachhaltigkeit vor Ort statt importierter Starauftritte

Bremen möchte 2010 „Europäische Kulturhauptstadt“ werden. Das beschloss der Senat auf seiner gestrigen Sitzung und entsprach damit einem über zwei Jahre alten Antrag der grünen Bürgerschaftsfraktion. Allerdings konnten weder inhaltliche Entwürfe, noch ein Finanz- oder Zeitrahmen vorgestellt werden.

Bis zum 31. März 2004 muss die Bewerbung fertig sein, dann wird zunächst auf Bundesebene innerhalb einer starken Konkurrenz von über einem Dutzend Städte entschieden. Die Bremer Bewerbung könnte beipielsweise mit einem Konzept auffallen, dass – vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung – die Partnerstädte Riga und Gdansk, eventuell auch Groningen, einbezieht. Ein Problem des gestrigen Beschlusses liegt nun darin, dass er keinerlei Präzisionen für die Gründung einer Projektgesellschaft enthält, die die notwendigen Vorarbeiten leisten könnte.

Zu diesen zählt auch die Entwicklung eines Konzeptes, wie die Bremer Kultureinrichtungen finanziell in die Lage versetzt werden könnten, ihre bisherige Arbeit fortzusetzen, um sich am Kulturhauptstadtsprogramm beteiligen zu können – die entsprechenden EU-Richtlinien legen eindeutig fest, dass „Kulturhauptstadt“ nicht aus importierten Starauftritten bestehen soll, sondern der Nachhaltigkeit vor Ort verpflichtet ist. In diesem Zusammenhang erklärte der Senat gestern lediglich, dass eine „dem Vorhaben angemessene finanzielle Ausstattung im Rahmen der Fortschreibung der Finanzplanung sicherzustellen“ sei. Zum Hintergrund: Das Konzept der „Kulturmanagement Bremen (kmb), die Bremer Kultureinrichtungen mit dauerhaften Kontrakten über finanzielle Zuwendungen auszustatten, ist kürzlich abgelehnt worden, ohne dass es im breiteren Rahmen diskutiert worden wäre.

Trotzdem sieht Carmen Emigholz, kulturpolitische Sprecherin der SPD, die Bremischen Potenziale für die Bewerbung positiv. Schließlich seien in den vergangenen Jahren alle großen Kultureinrichtungen saniert worden, es fehle lediglich noch das Überseemuseum und die Errichtung der schon seit langem benötigten Volkshochschul-Zentrale.

Auch Kultursenator Kuno Böse (CDU) betonte die Chance, Bremen im Zuge der Hauptstadtbewerbung „mit Hilfe von Kultur zu sanieren“ – während sich die auffällig unanimierte Rede der kulturpolitischen Sprecherin seiner Fraktion, Sigrid Köstermann, eher wie eine unfreiwillige Bestätigung des grünen Vorwurfs der Visionslosigkeit anhörte.

Die grüne Bürgerschaftsabgeordnete und frühere Kultursenatorin Helga Trüpel selbst fand sich in der gestrigen Debatte in einer merkwürdigen Rolle wieder. Obwohl sie es war, die die Idee einer Bremer Bewerbung eingebracht hatte, und obwohl es nur ihrer erneuten parlamentarischen Anfrage zu verdanken ist, dass sich der Senat gestern endlich zu einer offiziellen Entscheidung durchrang, musste sie sich von den Vertretern der großen Koalition wegen ihrer Kritik an der Langsamkeit und Oberflächlichkeit der Entscheidung als „Miesmacherin“ bezeichnen lassen.

Dabei gab es im Vorfeld der Entscheidung in der Tat große Reibungsverluste. In letzter Minute wurde die Einsetzung einer „Staatsrats-Steuerungsgruppe“ beschlossen (unter Beteiligung unter anderen von Senatskanzlei, Finanz-, Wirtschafts- und Bauressort), die Federführung jedoch bleibe – so zumindest der Beschluss in der allerletzten Minute – beim Kultursenator. Aufgabenverteilung und Kompetenzen sind nach wie vor ungeklärt.

Eine Folge der machtpolitischen Austarierung, in deren Mittelpunkt offenbar die SPD-geführte Senatskanzlei stand, war auch, dass die Bewerbungsvorlage des Kulturessorts erheblich eingedampft und verunklart wurde. So war der ursprünglichen Fassung ein umfangreiches Bewerbungskonzept beigefügt gewesen, in dem neben detaillierten Ausführungen zu diversen logistischen Aspekten auch der elementare Satz stand: Zur Bewerbung „... gehört die Entwicklung einer kulturpolitischen Strategie, die die Bremer Kultureinrichtungen und die Bremer Kulturszene in die Lage versetzt, gesichertes Fundament einer erfolgversprechenden Bewerbung zu sein.“

Das sollte in dieser Deutlichkeit offenbar nicht festgeschrieben werden. Genausowenig wie die finanziellen Eckdaten, die intern mit zwei Millionen Euro für die vorbereitende Projektgesellschaft und etwa 50 Millionen für die Durchführung geschätzt werden.

Aus der Bremer Kulturszene dagegen kommen erste Impulse: Diskutiert wird über ein Patenschaftsmodell, bei dem international renommierte KünstlerInnen Nachwuchskräfte vorschlagen, zu deren Fokus Bremen im Jahr 2010 werden könnte. Zum Beispiel. Henning Bleyl

Die Beteiligung am „Brainstorming“ über eine „Kulturhauptstadt“ ist morgen um 18 Uhr auf Einladung der Kulturinitiative „Anstoß“ in der Galerie Rabus (Plantage 13) möglich