Polizist schuldig gesprochen

Amtsgericht verurteilt Polizeibeamten zu sechs Monaten auf Bewährung für versuchte Vergewaltigung im Vollrausch. Verteidiger und Staatsanwältin hatten Freispruch gefordert. Tatort war eine schwer alkoholhaltige Polizeifeier letztes Jahr

Eindeutig fürs Gericht: Blaue Flecken am Opfer, ein Biss am Bein des Täters

Ein Freispruch hätte verheerende Signalwirkung gehabt. Doch genau danach sah es gestern Mittag im Amtsgericht aus, wo ein Polizist aus Osterholz angeklagt war, im Vollrausch eine Kollegin vergewaltigt zu haben. Staatsanwältin Irka Krüger und Verteidiger Wolfgang Müller-Siburg hatten Freispruch gefordert. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Wolfgang Rathke jedoch verurteilte den 36-jährigen Polizeibeamten zu sechs Monaten auf Bewährung wegen einer im Vollrausch versuchten Vergewaltigung.

Anders als die Staatsanwältin bewerteten Richter und Schöffen die Schilderung der Polizistin über das Erlebte vor einem Jahr am Rande einer Polizeifeier in Hemelingen als in wesentlichen Punkten glaubhaft. Zur Minderung des Vorwurfs Vergewaltigung hatten aber zahlreiche Zeugenaussagen geführt, wonach das spätere Opfer und der Angeklagte die Inspektionsfeier vor einem Jahr einvernehmlich trinkend und sehr freundschaftlich begonnen hatten. Die Frau hatte dagegen gesagt, sich belästigt gefühlt zu haben. Eine strafbare Grenzüberschreitung durch den sturzbetrunkenen Angeklagten stellte das Gericht deshalb erst fest, als der Täter sein Opfer im Treppenhaus des „Party-Point“ zum Oralsex gewaltsam vor sich auf die Knie zwang. Was davor war, sei möglicherweise nicht eindeutig gegen den Willen der ebenfalls betrunkenen Frau gewesen, so das Gericht.

„Als Polizeibeamter kennen Sie die Gefahren des Alkohls“, wandte sich der Richter bei der Urteilsbegründung an den Angeklagten. Nun müsse dieser für die Tat gerade stehen, die er zweifelsfrei begangen habe. Dafür spreche die zerrissene Nylonhose des Opfers und ihre Verletzungen, der Abwehr-Biss am Oberschenkel des Täters sowie Kratzspuren an dessen Hand und serologische Spuren an dessen Hose und Wäsche. Der verheiratete Familienvater hatte zudem eingeräumt, am folgenden Morgen Vaginalgeruch am Finger gehabt zu haben. „Sie haben dem Opfer großes Leid zugefügt“, verwies Richter Rathke auf die fast neunmonatige Dienstunfähigkeit der Polizistin, die den Kollegen aus Angst vor Gerede erst nach langem Abwägen angezeigt hatte. Gestern verfolgte sie den Prozess zumeist unter Tränen.

Zugunsten des Angeklagten wertete das Gericht dessen Kooperationsbereitschaft. Der Polizist hatte eingeräumt, „vielleicht etwas von Karola gewollt zu haben“, als er ihr ins Treppenhaus gefolgt war, wo er sie küsste und zum Sexualverkehr zu zwingen versuchte. Als die Frau sich wehrte und warnte, nicht zu verhüten, zwang er sie zum Oralsex. Nur wenig bekleidet wurde sie später auf der Treppe gefunden – ebenfalls mit Erinnerungslücken, die das Gericht auf Scham und Alkohol zurückführte.

Mit dem Urteil ging ein Prozess zu Ende, den alle Beteiligten als „schwierig“ bezeichneten. Vor allem das Tatumfeld habe die Urteilsfindung erschwert. „Keiner der Zeugen war zum Tatzeitpunkt nüchtern“, so Richter Rathke sichtlich angewidert von den polizeilichen Feiergewohnheiten. Beklemmend war auch die vorangegangene freundschaftliche Nähe zwischen Opfer und Täter. Noch gegenüber einer Gutachterin hatte der Polizist gesagt, er wolle nicht, „dass Karola als Lügnerin dasteht“. Er könne sich jedoch nur an Bruchstücke erinnern. „Sonst hätte ich sie wohl angerufen, um mich zu entschuldigen.“ Auch die Polizistin hatte gegenüber ihrer Anwältin Sonja Briesenick Entsetzen darüber geäußert, dass ausgerechnet dieser bei allen beliebte Kollege eine solche Tat begangen hatte. Für den suspendierten Beamten ist durch das Urteil eine Rückkehr in den Beruf nicht automatisch unmöglich. Das Disziplinarverfahren wird jedoch erst eröffnet, wenn das Urteil rechtskräftig ist.

ede