EIN ZU „GUTER“ TARIFABSCHLUSS PASST NICHT IN DIE LANDSCHAFT
: Da schluckt der Steuerzahler

Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di betrachtet die Sache ganz simpel. Als wesentliches Argument für die Lohnforderung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst führt Frank Bsirske dieses an: Die anderen Gewerkschaften hätten 2002 Zuwächse von mehr als drei Prozent herausgeschlagen, da könne man die Müllwerker, Krankenschwestern und Finanzbeamten nicht schlechter stellen. Wenn Ver.di heute mit den Finanzministern verhandelt, wird sich die Gewerkschaft einer differenzierteren Betrachtung so weit wie möglich verschließen.

Tatsächlich sind die Löhne im öffentlichen Dienst weniger stark gestiegen als in den anderen Branchen. Ab 1990 gerechnet, liegen die Einkommen der Staatsdiener heute um fünf Prozent hinter denen der privat Beschäftigten. Allerdings nimmt sich dieser Unterschied – den die Arbeitgeber übrigens bestreiten – auf zwölf Jahre verteilt nicht gerade dramatisch aus. Der Rückstand rechtfertigt die drei Prozent plus x jedenfalls nicht.

Ungerechtfertigt ist auch die volkswirtschaftliche Begründung dieser Lohnforderung. Ihr zufolge stellt die mangelnde Nachfrage der Konsumenten eine gewichtige Ursache für geringes Wachstum und hohe Arbeitslosigkeit dar; wenn eine Erhöhung der Löhne über die Erhöhung der Preise hinausgeht, bedeute dies für die Beschäftigten einen Reallohnzuwachs, den sie in gesamtwirtschaftlich sinnvollen Konsum umsetzen könnten. Das stimmt – aber die Inflationsrate in den Prognosen für 2003 liegt bei nur 1,6 Prozent. Ver.di scheint also die prekäre Lage der öffentlichen Haushalte völlig egal zu sein. Schon jetzt beträgt die Finanzierungslücke in Bund, Ländern und Gemeinden fast 80 Milliarden Euro jährlich; 3,5 Prozent Lohnzuwachs würde das Defizit um rund sechs Milliarden Euro erhöhen.

Angesichts von Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen können die Bürger da nur schlucken. Etwas oberhalb der Inflationsrate sollte der Tarifabschluss liegen und auch den Konsum anregen – aber zu „gut“ im Sinn von Ver.di darf er nicht werden. HANNES KOCH