Landebahn treibt aus

Bei einer Diskussion über die zusätzliche Verlängerung der Werkspiste in Finkenwerder weisen Vertreter von Airbus und Wirtschaftsbehörde den Vorwurf der Täuschung von sich: Eine längere Piste wäre bisher nicht zu begründen gewesen

von GERNOT KNÖDLER

Der scheidende Airbus-Chef Hans-Joachim Gante hat versprochen, in Finkenwerder oder im Mühlenberger Loch werde niemals an dem Militärtransporter A400M gebaut werden. Bei der ersten Informationsveranstaltung über eine abermalige Verlängerung der Airbus-Werkspiste in Finkenwerder am Dienstagabend versicherte Gante: „Aus diesem Betrieb wird nie ein Rüstungsbetrieb werden.“ Trotz der Entrüstung, mit er dies klarstellte, dürften ihm viele im voll besetzten Saal der Gesamtschule Finkenwerder nicht geglaubt haben. Zu sehr fühlen sie sich vom bisherigen Vorgehen der Firma und des Senats getäuscht.

Der Vorwurf der Lüge durchzog als Leitmotiv den ganzen Abend. „Es ist von vornherein klar gewesen, das Sie eine Landebahn von 3500 Metern brauchen“, warf Obstbäuerin Jeanette Kassin den Airbus-Managern vor und beleuchtete diesen Vorwurf mit einer „Anti-Nebelkerze“ im Plastikbecher. Die nötigen Baumaßnahmen seien scheibchenweise in die offizielle Planung aufgenommen worden, um den Widerstand nicht zu sehr hochkochen zu lassen, argwöhnte der BUND.

Anwohnerin Sylvia Hottop-Prigge verwies darauf, dass die Klagen gegen den laufenden Ausbau des Airbuswerks samt Pistenverlängerung noch nicht abgewiesen seien. „Es wird zwar fleißig gebaut“, stellte sie fest, „aber ohne Rechtsgrundlage.“ Mit ihrer Salami-Taktik hofften Airbus und der Senat offenbar, ihre Chancen vor Gericht zu erhöhen. Würden die neuen Wünsche von Airbus im laufenden Gerichtsverfahren mitverhandelt, vermutet Hottop-Progge, „dann stünden heute die Bagger still“.

Gante hielt dagegen, die Verlängerung der Piste auf 2684 Meter, deren Plan bereits festgestellt ist, beruhe auf dem Stand des Projektes A3XX von 1997. Inzwischen habe sich herausgestellt, dass die Kunden auch eine Frachtversion des Flugzeugs wünschten, die eine längere Landebahn brauche. „Vorher war eine längere Piste nicht zu begründen“, sagte Gante.

„Sie dürfen bestimmte Erweiterungen nur dann beantragen, wenn ein konkreter Bedarf da ist“, sekundierte ihm Gunther Bonz, der das Airbus-Projekt in der Wirtschaftsbehörde koordiniert. Jedes Unternehmen erkundige sich beim Senat nach Erweiterungsmöglichkeiten für den Fall des Wachstums. „Hier passiert nichts anderes als in vergleichbaren anderen Verfahren“, behauptete er. Beim Erörterungstermin für die erste Verlängerung am 16. Februar 1999 hatte Bonz Airbus-Forderungen nach einer noch längeren Piste als „Formalforderungen“ abgetan, „die nachher auch gar nicht so kommen werden“.

Warum sie jetzt doch kommen, erklärte Airbus-Projektsteuerer Gerhard Albert: Die Frachtversion des Riesenairbus, der A380T, wiege leer 410 Tonnen statt 389 Tonnen wie die ursprünglich geplante Basisversion A3XX. Das liege an der von den Kunden geforderten Reichweite, Zuladung und dem Lärmschutz. Das höhere Gewicht führe zu einer größeren Geschwindigkeit beim Landeanflug und einem längeren Bremsweg, für den der Deich Richtung Neuenfelde durchbrochen werden müsse. Mit dem Deichdurchbruch erlösche die Ausnahmegenehmigung für den ungewöhnlich steilen Anflugwinkel von 3,5 Grad. Bei einem Winkel von nur drei Grad könnten die Maschinen wegen des Elbhanges jedoch erst später aufsetzen, weswegen noch ein paar Meter Piste hinzukommen müssten. Alles in allem brauche Airbus 589 Meter mehr, insgesamt 3273 Meter.

Für die Verlängerung, so Albert, müsste ein Teil des Rosengartens um zwei bis drei Meter erhöht werden. Überdies müsste der Deich, der auf Finkenwerder Seite parallel zur Piste verläuft, einer Sicherheitszone weichen und damit die Straße Neßhauptdeich wohl ebenfalls. Als neuer Hauptdeich komme der Vordeich in Frage, der das neue Airbus-Gelände schützt. Andernfalls müsse am Ostrand des Airbus-Geländes ein neuer Deich errichtet werden. Wer von Finkenwerder nach Cranz will, müsste den Pistenkopf im Rosengarten entweder umfahren oder in einem Tunnel unterfahren.

Gante rechtfertigte den Aufwand mit den „riesigen positiven Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort und die norddeutsche Region“. Von den Kritikern forderten er und auch Bonz ein Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Hamburg. „Was wir hier machen, ist nicht für Airbus Deutschland“, versicherte Gante. „Für Airbus wäre es sehr viel einfacher gewesen, wenn sie das in Toulouse gemacht hätten.“ Auf die Frage des Neuenfelder Obstbauern Peter Bartels, was denn Hamburg über Steuern von Airbus zurückkriege, blieb Bonz‘ Antwort vage: „nicht unerhebliche“ Körperschafts- und Gewerbesteuern.