Kultur mit Karajan und Kabeljau

Heftiger Schlagabtausch in der Bürgerschaft über die Kulturpolitik von Schwarz-Schill. Unter den Augen Hamburger Intendanten wehrten SPD und GAL die Angriffe der Regierungskoalition auf Schauspielhaus-Chef Tom Stromberg ab

von PETER AHRENS

Schauspielhaus-Intendant Tom Stromberg, der ebenso wie fast alle anderen Theaterchefs der Stadt zum Anhören der Debatte in die Bürgerschaft gekommen war, sollte am gestrigen Abschlusstag der Haushaltsberatungen von Schwarz-Schill zum Prügelknaben der Kulturpolitik gestempelt werden. Der Opposition von SPD und GAL gelang es jedoch, den Spieß umzudrehen und den chwarzen Peter der zuständigen Senatorin Dana Horáková zuzuschieben.

Die Debatte zur Kulturpolitik wurde denn auch zur einzig angemessenen parlamentarischen Auseinandersetzung der gesamten drei Haushaltstage. Der ehemalige SPD-Fraktionschef Holger Christier hatte die Aussprache mit einem Crescendo an Vorwürfen Richtung Horáková und CDU eröffnet. Er warf ihr vor, mit ihrem Amt überfordert zu sein und einen „Kurs der Banalisierung und Polarisierung“ zu steuern. Ihre Idee eines Musikhallenaquariums in der Hafencity verspottete er als „Bündnis von Karajan und Kabeljau“. Und Horákovás Kritik an den Inszenierungen des Schauspielhauses, obwohl sie das Haus erst einmal besucht hat, titulierte er als „telepathisches Ressentiment“.

Dass sie angeblich eine Prüfung der Förderung von Stadtteilkulturzentren zugesichert hatte (siehe Bericht unten), war für Christier und seinen GAL-Kollegen Willfried Maier der Beweis, dass „Kulturpolitik sich zum beflissenen Instrument der Innenbehörde macht“.

CDU, Schill-Partei und FDP hatten dem nicht viel mehr als massive Vorwürfe gegen Strombergs Amtsführung entgegenzusetzen. Der frisch gebackene Unions-Kulturexperte Karl-Heinz Ehlers attestierte Stromberg „künstlerische Selbstbefriedigung“. Der Intendant solle sich erst um sein Haus kümmern, bevor er „sich in seiner Freizeitgestaltung Bambule widmet oder die Attentäter des 11. September als bemitleidenswerte Opfer ansieht“. Für Ehlers war klar: „Es ist künftig nicht mehr alles förderungswürdig, nur weil es den Zusatz Frauen oder Öko trägt.“ Und FDP-Musterschüler Martin Woestmeyer nannte Strombergs Kunstverständnis „Theater mit Bauwagenmentalität“. Maiers Kommentar: „Ihnen ist alles Zeitgenössisch-Kritische verdächtig.“ Woestmeyer freute sich über Horákovás Aquariumsprojekt. Er nannte das ein „Sinnesfest, wo mich Seepferdchen auf dem Weg in den Konzertsaal begleiten und ich nach der Premiere den Kugelfischen zuproste“.

Die Senatorin selbst überließ den Fachsprechern die harten Bodychecks gegen Stromberg. Sie „verlangte lediglich als Einziges saubere Bilanzen“ vom Schauspielhaus.

Soziales und Stadt schrumpfen auch

Punkte sammelte die Opposition auch in den Debatten über die Sozial- und Wohnungsbaupolitik der Stadt. CDU-Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram musste sich massiv gegen den Vorwurf wehren, der Rechtssenat verbreite soziale Kälte. Während der Schill-Abgeordnete Rolf Rutter die Klagen über Sozialabbau als „persönliche Befindlichkeiten“ abtat und die Arbeit von Beratungsstellen ins Lächerliche zog, versuchte Schnieber-Jastram den Eindruck zu erwecken, „dass mein Etat nicht die Melkkuh dieses Senats ist“. Ihr Versuch, lediglich den Bund für Sozialabbau haftbar zu machen, geriet jedoch halbherzig.

Heftigen Ärger bei der Opposition löste sie mit dem Hinweis auf, Rot-Grün habe in Sachen Integration von MigrantInnen lediglich „akademische Diskussionen geführt“, der von ihr installierte Integrationsbeirat jedoch streite für „pragmatische Lösungen“. GAL-Sozialpolitikerin Dorothee Freudenberg stellte dagegen fest: „Der Integrationsbeirat hat bisher gar nichts gebracht.“

In der Wohnungsbaupolitik stellte SPD-Fachpolitiker Jan Quast angesichts sinkender Mittel für den Mietwohnungsbau fest: „Entgegen aller Behauptungen betreiben Sie eine Politik der schrumpfenden Stadt.“ Der Hinweis des Schill-Abgeordneten Stephan Müller, „Sozialwohnungen vertragen sich nicht mit dem Prinzip der wachsenden Stadt“, gab Quast nachträglich Recht.