Rücktritte als Druckmittel

Italienische Universitätsrektoren protestieren gegen Sparmaßnahmen im Bildungsbereich

aus Rom MICHAEL BRAUN

Mit einem spektakulären Massenrücktritt haben Italiens Universitätsrektoren auf die Pläne der italienischen Regierung geantwortet, die Mittel für die Hochschulen im Staatshaushalt 2003 weiter zusammenzustreichen. Der schon vom Abgeordnetenhaus verabschiedete und jetzt dem Senat zur Beratung vorliegende Etatentwurf sieht eine Kürzung der Zuweisungen an die Universitäten von 6,2 (2002) auf nur noch 6 Milliarden Euro vor. Zugleich müssen die Unis steigende Personalkosten von etwa 4 Prozent verkraften, die noch einmal gut 200 Millionen Euro ausmachen.

Monatelang waren die Magnifizenzen gegen diese Absichten Sturm gelaufen, ohne die Regierung zu einem Kurswechsel zu bewegen. Jetzt zogen 62 der 77 Rektoren die Bremse und reichten die Demission ein. Nur noch zwei, drei Jahre könnten die Universitäten in einer solchen Situation überleben, erklärte der Vorsitzende der Rektorenkonferenz Piero Tosi. Seine Kollegen aus Bari und von der Universität Rom III kündigten an, sie müssten voraussichtlich 2003 bei Heizung und Strom sparen und könnten die Hochschulen nur noch fünf statt sechs Tage in der Woche offen halten.

Die Situation der italienischen Unis ist schon heute dramatisch. Italien wendet nur 0,6 Prozent des BIP für die universitäre Bildung auf – zum Vergleich: Deutschland, Frankreich und Großbritannien liegen bei über 1 Prozent –, obwohl die Studentenzahlen bei über zwei Millionen liegen. Das Resultat: Italien hat eine Abbrecherquote von 60 Prozent, die Studienzeiten derer, die fertig werden, liegen bei 5,5 Jahren, und nicht einmal 9 Prozent der aktiven Bevölkerung verfügt über einen Uni-Abschluss.

Den schlechten Service in schlecht ausgestatteten Unis bezahlen die Studenten auch noch teuer. In Rom liegen die Studiengebühren bei durchschnittlich 750 Euro pro Jahr, in Mailand bei 1.300 Euro. Wer seinen Abschluss hat, muss angesichts der ebenfalls miserablen Forschungsförderung oft auswärts sein Glück versuchen: Tausende italienische Forscher sind abgewandert, während es kaum Ausländer an Italiens Universitäten und Forschungsinstitute zieht.

Auch auf diesem Feld plant die Regierung weitere Streichungen: Dem Consiglio Nazionale delle Ricerche – der zentralen Instanz für Spitzenforschung – sollen im nächsten Jahr 2 Prozent und 2004 weitere 10 Prozent der Ressourcen gekürzt werden. Die Rektoren fordern deshalb jetzt die Rücknahme der Einsparungen sowie weitere Zuwendungen von 300 Millionen Euro, um die Kostensteigerungen beim Personal auszugleichen.

Im ersten Punkt ist die Regierung sofort eingeknickt. Schatzminister Giulio Tremonti kündigte die Rückkehr zum Ansatz von 6,2 Milliarden Euro an. Vorschnell dürfte aber die Erklärung des Regierungssprechers sein, die Rücktritte seien damit „hinfällig“. Die Rektoren jedenfalls haben mitgeteilt, dass sie ein Entgegenkommen auch bei der Frage der Personalkosten erwarten, ehe sie ihren Schritt rückgängig machen.