altertümer
: Museen mit dem Geist von gestern

Schon letzte Woche verabschiedet, aber jetzt erst bekannt geworden: eine Erklärung von 18 Museumsdirektoren aus Europa und den USA, in der kategorisch die Rückgabe von Altertümern an diejenigen Staaten verweigert wird, auf deren Territorium sie einst standen. Auch deutsche Museen sind mit von der Partie. Dieses Im-Gleichschritt-Nein!-Dokument trägt in keiner Weise zur Entwirrung des Knäuels von Ansprüchen und Rechtfertigungen bei. Stattdessen schwenkt es das Fähnchen von der universellen kulturellen Sendung westlicher Museen.

Kommentarvon CHRISTIAN SEMLER

Worum geht es? Die großen westlichen Museen verdanken ihre Weltgeltung zum nicht geringen Teil Altertümern, die sie hauptsächlich im 19. Jahrhundert an sich gebracht haben. Hier ist nicht die Rede von Diebstählen (auch sie waren häufig), sondern vom Erwerb kraft Verträgen, etwa von Fundteilungen, wie sie von deutschen Grabungsgesellschaften mit dem Osmanischen Reich abgeschlossen wurden. Juristisch mögen solche Abmachungen wasserdicht sein, politisch und moralisch werfen sie Fragen auf, vor allem wenn man die veränderten Auffassungen über das kulturelle Erbe jedes Landes bedenkt.

Solche Ansprüche haben manchmal etwas Künstliches an sich. Worauf gründet sich beispielsweise der Anspruch auf Rückgabe des hellenistischen Pergamon-Altars als kulturelles Erbe, nachdem die Türkei Atatürks mit ihrem lebendigen griechischen Erbe, nämlich der griechischstämmigen Bevölkerung Kleinasiens, kraft Bevölkerungstauschs kurzen Prozess gemacht hat? Häufiger sind allerdings die Gegenbeispiele, wo die verschwundenen Kulturgüter oft den einzigen Zugang zur Geschichte der enteigneten Völker bildeten, diese Völker mithin durch den „Kulturtransfer“ im Kern ihrer historischen Identität getroffen, zu geschichtslosen Völkern degradiert wurden.

Die Erklärung der 18 räumt ein, dass damit nicht jeder Einzelfall erledigt ist, aber das ist nur eine Rettungsklausel. In der Tat, jeder Einzelfall ist zu prüfen, und zwar im Geist des Kompromisses und der Hilfe. Kompromisse sind vonnöten, weil die großen Museen der westlichen Welt ihren Teil zur Bewahrung der Altertümer beigetragen haben. Und Hilfe, weil es nicht nur auf ein paar heimgekehrte Touristenattraktionen ankommt, sondern um die Unterstützung bei Grabungen, Restaurierungen und beim Unterhalt der Museen. Diese Perspektive aber lässt die Erklärung der 18 vermissen.

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