„Hauptstadt des Kaukasus“

Als Friedensstifter sieht Rolf Knieper sich nicht, aber der Bremer Rechtsprofessor schreibt neue Gesetze für osteuropäische Staaten und bringt verfeindete Vertreter derselben an einen Tisch

In dieser Woche treffen sich in Bremen hochrangige Politiker und Justizvertreter aus den post-sowjetischen Transformationsstaaten Aserbaidschan, Armenien und Georgien mit deutschen Experten zu einer Tagung über aktuelle rechtspolitische Fragen in ihren Ländern. Dass sich ausgerechnet diese Vertreter feindlich gesinnter Staaten zusammen finden, ist alles andere als selbstverständlich. Besonders zwischen Armenien und Aserbaidschan bestehen seit dem kriegerischen Konflikt in Berg Karabach enorme Spannungen, die kaum diplomatischen Kontakt zulassen. Ein Rechtsprofessor der Universität Bremen unterstützt seit sechs Jahren im Auftrag der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) in diesen drei ehemaligen GUS-Staaten eine Rechtsreform: Rolf Knieper. Diesem Mann und seinen Mitarbeitern ist es gelungen, zusammen zu bringen, was eigentlich nicht zusammen will.

taz: Prof. Knieper, wie haben Sie es geschafft, Vertreter dieser drei Länder an einen Tisch zu bringen?

Rolf Knieper: Ich arbeite mit allen seit sechs Jahren intensiv. Nach anfänglicher Skepsis mir – dem deutschen Professor – gegenüber, haben sich sogar Freundschaften entwickelt. Die Leute vertrauen mir, sie wissen, dass ich dieses Zusammentreffen nicht für politische Zwecke missbrauche.

Werden denn nicht trotzdem auch hier die politischen Konflikte ausgetragen?

Nein. Erstaunlicher Weise nicht. Selbst abends in lockerer Runde, bei einem Gläschen Wodka, geht es friedlich zu. Alle verhalten sich sehr professionell. Sie haben in juristischer Hinsicht ähnliche Probleme, und jede der ehemaligen Teilrepubliken der Sowjetunion ist in Reformen im Staatsaufbau involviert. Das macht sie auch neugierig aufeinander und lässt sie auf fachlicher Ebene miteinander diskutieren.

Das hört sich doch sehr positiv an. Ist das dann nicht eine Chance, hier den Anstoß für Friedensverhandlungen zu geben?

Das ist leider nicht realistisch. Wissen Sie, alle – ob Georgier, Armenier oder Aserbaidschaner – tragen noch Hass in den Herzen. Der lässt sich nicht so schnell tilgen, der ist tief verwurzelt. Das kann ich durch meine Besuche in den drei Ländern und den Umgang mit den Menschen beurteilen. Auch wenn momentan in Bremen die Vernunft regiert. Ich hoffe, dass die Kontakte, die sich hier zwischen Einzelpersonen herstellen, auch in Zukunft bestehen bleiben. Aber selbst das ist schwierig, denn das wird von staatlicher Seite möglicherweise sogar unterbunden.

Weshalb findet diese Tagung hier in Bremen statt und nicht direkt im Kaukasus?

Also in der kaukasischen Region wäre dieses Treffen in der Form nicht zustande gekommen. Bremen ist ein neutrales Terrain. Die Atmosphäre hier spielt eine große Rolle. Ein Aserbaidschaner geht sogar soweit, die Hansestadt als „heimliche Hauptstadt des Kaukasus“ zu bezeichnen. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass von hier aus – also aus dem GTZ-Büro an der Uni – die Impulse kommen und die Reformen im Privat- und Wirtschaftsrecht koordiniert werden. Der Senat, die Handelskammer und die GTZ haben ja vor zwei Jahren schon einen Kooperationsvertrag unterzeichnet, mit dem Bremen die Unterstützung für die Rechtsreform konkret zusichert.

Was bedeutet „Rechtsreform“?

Zivil-, Verfassungs- und Verwaltungsrecht werden grundlegend umstrukturiert, Gesetze werden neu geschrieben. Bisher galt ja das kommunistische Recht. Viele Gesetze sind nun neu verfasst, aber bis zu deren Anwendung werden wohl noch 20, 30 Jahre verstreichen.

Interview: Daniela Barth