Da waren‘s nur noch sechs

Die Berliner Reiterstaffel wird künftig nur noch von einem kleinen Sextett gebildet. Von ehemals 75 Polizisten zu Pferde haben sich 58 für den Wechsel zum Bundesgrenzschutz entschieden, andere für die Pension. Doch die Boulevardzeitungen feiern

von PLUTONIA PLARRE

Galant und Everest weilen in den ewigen Jagdgründen. Emir und Orion bekommen auf einer Weide in Brandenburg das Gnadenbrot. Aber Orlando, Pilot, Golan und all die übrigen 40 Polizeigäule erfreuen sich im Dienste des Bundesadlers bester Gesundheit. Schenkt man den Angaben ihrer Pfleger Glauben, sind die Pferde viel ausgeglichener, seit sie nicht mehr für Ehrhart Körting, sondern für Otto Schily traben. Auch die Laune der Polizeireiter hat sich deutlich verbessert. Die Stimmung ist so gut, dass sich von 75 Beamten 58 zu einem Wechsel von der Berliner Schutzpolizei zum Bundesgrenzschutz entschlossen haben. Die heutige feierliche Übergabe der Ernennungsurkunde durch den Präsidenten des Bundesgrenzschutzamtes Ost, Udo Hansen, ist somit der letzte Akt einer Berliner Schmonzette erster Güte.

Nicht nur in der Polizei waren die Wogen der Empörung hochgeschlagen, als der rot-rote Senat zu Beginn des Jahres die Auflösung der Polizei-Reiterstaffel beschlossen hatte. Für die Entscheidung gab es gute Gründe. Allein der Unterhalt der Pferde kostete 614.000 Euro pro Jahr. Aber Innensenator Körting hatte die Rechnung ohne die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Springer-Presse gemacht. Mit der „Aktion Bürgersinn – Rettet die Polizeipferde“ starteten BZ und der Froschfunk 100,6 eine beispiellose Kampagne, die sich riesiger Resonanz erfreute. Nicht nur die reichen Wilmersdorfer Witwen öffneten zu Tränen gerührt ihre Geldbörsen. Auch arme Mütterchen boten ihre Rente an, um Emir & Co. vor der Schlachtbank zu bewahren. Unter dem Motto: „Für den Erhalt des Kulturgutes Pferd“ riefen Polizeigewerkschaft und der Landesverband Pferdesport zu einer Großdemonstration auf, und Tausende folgten. Ein Futtermittelhersteller bot an, den Polizeigäulen ein ganzes Jahr lang „vitaminiertes, mineralisiertes Müslifutter“ zu spendieren. Eine Solidarität, von der jeder Kindergarten träumen würde.

Als Bundesinnenminister Otto Schily ankündigte, der Bundesgrenzschutz werde die Reiterstaffel zum 1. April 2002 übernehmen, war die Reaktion zunächst ziemlich verhalten. Kaum einer der 75 Beamten konnte sich vorstellen, was es heißt, fortan nicht mehr die Berliner Wälder zu durchstreifen und darauf zu achten, dass im Wald kein Feuer gemacht oder wild gecampt wird und dass Hunde an die Leine genommen werden. Stattdessen sollen nun Bundesministerien, Bahngleise und Flughafen-Gelände geschützt werden. Wenn in Schönefeld die Maschine der israelischen El Al landet, heißt es für die Reiter ganz besonders wachsam sein.

Inzwischen sind neun Monate vergangen. Die Sorge vor dem Unbekannten hat sich für die Mehrzahl der Angehörigen der Reiterstaffel als unbegründet erwiesen. Bis zum Ende des Jahres konnten sich die Beamten entscheiden, ob sie zurück zur Berliner Schutzpolizei wollten. Nur ganze sechs haben davon Gebrauch gemacht. Elf gehen in Pension, der Rest wechselt zum BGS. „Eigentlich“, räsoniert ein Beamter, „hat sich für uns nicht viel verändert.“ Beim Bund angestellt zu sein, sei fast noch besser, weil man nicht mehr den Sparmanövern des Berliner Senats ausgeliefert sei, erzählt ein anderer. Als BGS-Beamten könne einem nämlich nicht damit gedroht werden, kein Weihnachtsgeld mehr zu bekommen. Auch die Pferde seien ausgeglichener, weil sie nicht mehr so viel Pflaster wie früher treten müssten, heißt es.

Sogar die Springer-Zeitungen sind zufrieden: „BZ und Berlin gewannen Kampf um Reiterstaffel“, titelte die BZ gestern, um gleich mit neuen Enthüllungen aus dem Reiterhof aufzuwarten: „Neue Sättel, Decken, Reitstiefel und Schlagstöcke sind schon bestellt …“