DER EUROPÄISCHE GERICHTSHOF BESIEGELT DAS SCHICKSAL DER SPARKASSEN
: Bald lockt der schnelle Euro

Der Abschied von unserer guten, alten Sparkasse an der Ecke naht. Dem Europäischen Gerichtshof geht es bei seinem Urteil gegen die öffentlich-rechtliche Landesbank WestLB lediglich vordergründig um die Frage, ob die Übertragung von umgerechnet 808 Millionen Euro vor mehr als einem Jahrzehnt einmal rechtens war oder doch eine wettbewerbsverzerrende Beihilfe. Davon gehen sowohl das Gericht als auch die Europäische Kommission und die privaten deutschen Großbanken aus. In der Sache zu Recht, aber mit gefährlichen Folgen für Wirtschaft und Verbraucher. Tatsächlich gestalten die Luxemburger Oberrichter den zukünftigen Finanzplatz Deutschland mit.

Auch wenn das Hauptsacheverfahren formal erst in ein paar Wochen abgeschlossen wird, besiegelt das Urteil nun endgültig, was seit längerem klar ist. Die klassische Sparkasse, die über staatliches Kapital verfügt und die von der Kommune vor der Pleite geschützt wird, wird es spätestens Ende des Jahres 2005 nicht mehr geben. Dann wird die rein deutsche Spezialität in die kapitalistische Selbstständigkeit entlassen, alle staatlichen Garantien entfallen und die Kreditinstitute müssen auf eigenen Füßen stehen. Dies muss jedoch keineswegs Privatisierung bedeuten, denn Kommunen und Städte können weiterhin an ihrer Sparkasse festhalten und sich zu normalen Eigentümern wandeln, wenn sie wollen. Deutsche Bank und Dresdner-Allianz wetzen schon die Messer und hoffen, sich die Filetstücke aus den Sparkassen herausschneiden zu können – und den Rest einfach zu schlachten.

Zwar gewinnt man dadurch kaum neue vermögende Privatkunden, aber dafür die Massenkundschaft, wie die Branche normalsterbliche Verbraucher unschön benennt. Und die Masse macht’s. Durch 50 Millionen Sparkassenkunden sollen Größenordnungen erreicht werden, die eine Industrialisierung des Finanzgeschäfts erlauben. Angestrebt werden Profitraten wie im hoch zentralisierten Großbritannien, wo sich nur noch eine Handvoll Geldgiganten den Markt teilt, mit aberwitzigen Gewinnen, welche die werte Kundschaft durch teure Gebühren und Provisionen bezahlt.

Noch ist der Wettbewerb in Deutschland zu retten. Dazu müssen die Kämmerer in Stadt und Land die Nerven bewahren. Die Versuchung wird groß sein, die Sparkassen zu verscherbeln. Auf Dauer würde dies Sparer und Mittelstand teuer zu stehen kommen – siehe Großbritannien. Ob aber alle Kassenwarte den Lockungen des schnellen Euro widerstehen, ist zu bezweifeln. In Hannover haben schon vor Jahren die Grünen laut darüber nachgedacht, dass die Sparkasse keine heilige Kuh sei.

HERMANNUS PFEIFFER