Saddams Gegner planen den Umsturz

In London trifft sich an diesem Wochenende die irakische Opposition. Es gibt mehr Trennendes als Gemeinsames

Streitpunkt zwischen Nationalisten und Kurden ist diekünftige Verfassung

BERLIN taz ■ Ginge es nach der Zahl der Flugstunden, der künftige irakische Interimspräsident stünde fest: Er hieße Jalal Talabani und wäre Kurde. Mit einer Charmeoffensive hat der kurdische Politiker in den vergangenen Wochen versucht, das Image der irakischen Opposition im Nahen Osten aufzupolieren. Dass ihn die irakische Opposition, die sich an diesem Wochenende in London nach monatelangem Tauziehen zu einer Konferenz versammelt, zu ihrem Sprecher kürt, ist freilich ziemlich unwahrscheinlich.

Ohnehin besteht der vorläufig größte Erfolg der Saddam-Gegner darin, dass sie sich überhaupt an einen Tisch setzen. Immer wieder war das Treffen in den letzten Monaten wegen Querelen über die Teilnehmerlisten verschoben worden. Ein schließlich für Ende November angekündigte Versammlung in Brüssel wurde in letzter Minute abgesagt.

Kurden und Schiiten hatten durchgesetzt, dass sie gemäß ihrem Bevölkerungsanteil im Irak mit entsprechender Teilnehmerzahl vertreten sind. Obwohl dieser Proporz bereits bei der Gründung des Irakischen Nationalkongresses (INC) im Jahr 1992 beschlossen worden war, kam nun gerade von dort harsche Kritik. Besonders die Demokraten in dem irakischen Dachverband um den angesehenen Autor Kanan Makiya sahen sich ins Abseits gedrängt.

Etwa 350 Vertreter von 50 Parteien, Menschenrechts- und Berufsorganisationen sowie Notabeln und Intellektuelle werden auf der Konferenz erwartet. Darüber hinaus wurde fünf Nachbarländern des Irak – Türkei, Iran, Syrien, Jordanien und Kuwait – sowie der EU und den USA ein Beobachterstatus eingeräumt.

Die Erwartungen an das Treffen sind hoch. Die Bush-Administration erhofft sich davon vor allem ein Signal der Einheit. Mit einer gemeinsamen Abschlusserklärung soll sich die Opposition vom Makel befreien, notorisch zerstritten zu sein. Zudem soll sie mit einem Bekenntnis zu demokratischen Grundsätzen, der Einhaltung der UN-Resolutionen und Frieden in der Region ihre potenzielle Regierungsfähigkeit zeigen.

Doch außer dem Willen, den Despoten von Bagdad endlich loszuwerden, eint die Oppositionellen nicht viel. Sunnitische kurdische und arabische Islamisten, der schiitische „Hohe Rat für Islamische Revolution im Irak“, ehemalige Generäle und Geheimdienstler um die „Nationale Eintracht“ (Wifaq) und die „Bewegung freier Offiziere und Zivilisten“, Abtrünnige der herrschenden Baath-Partei, kurdische und arabische Nationalisten, Linke und Liberale und das Häuflein irakischer Demokraten um den INC sowie Vertreter der turkmenischen und christlichen Minderheiten – einen gemeinsamen Zukunftsplan werden sie kaum schmieden.

Dem Plan, die USA als „Partner des irakischen Volkes bei der Befreiung des Irak“ anzuerkennen, wie das ein Grundsatzpapier über den „Übergang zur Demokratie im Irak“ vorsieht, haben Islamisten und arabische Nationalisten bereits im Vorfeld eine Abfuhr erteilt. Die irakische Kommunistische Partei und die schiitische Dawa-Partei haben deswegen ihre Teilnahme gleich ganz abgesagt. Beide beharren darauf, dass der Umsturz ohne fremde Einmischung erfolgen müsse. Auf fast einmütige Ablehnung sind auch Äußerungen von US-Regierungsvertretern über eine mögliche Besetzung des Zweistromlands im Anschluss an einen Krieg gestoßen.

Umstritten sind zudem Klagen gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher. Während etliche Gruppen die Einrichtung eines Tribunals gegen die Spitzen des Regimes fordern, stößt dieses Ansinnen bei einflussreichen Offizieren auf erheblichen Widerstand. Der ehemalige Generalstabschef Nizar al-Khazraji, der sich schon in der Rolle des Befreiers von Bagdad sah, gegen den aber die dänische Justiz wegen Kriegsrechtsverletzungen ermittelt, hat das Verfahren als Komplott denunziert, um den Regimewechsel zu verhindern.

Es ist schon ein Erfolg, dass so viele Gruppen an der Konferenzteilnehmen

Fraglich ist, ob sich die Nationalisten zu Zugeständnissen in der Frage des von den Kurden geforderten Föderalismus bewegen lassen. Im Oktober hat das wiederbelebte kurdische Parlament einen Verfassungsvorschlag verabschiedet, der einen arabischen und kurdischen Bundesstaat mit eigener Legislative, Exekutive sowie Streitkräften und Präsidenten vorsieht. Zwar sind die Kurden bereit, von ihren Maximalforderungen abzurücken. Doch das wird die Gemüter derjenigen, die in einer Lockerung des Zentralismus eine Gefahr sehen, kaum beruhigen. Aus Kreisen der kurdischen Delegation wurde vorsorglich schon mal gedroht, notfalls mit Saddam Verhandlungen aufzunehmen, sollten die Forderungen gänzlich abgeschmettert werden.

Unterdessen hat US-Präsident George Bush 92 Miollionen Dollar an Militärhilfe für die Opposition bereit gestellt, die auch den beiden kurdischen Parteien zugute kommen soll. Darüber hinaus hat Washington sechs weiteren Gruppen das Siegel „demokratische Opposition“ verliehen. Die Vereinigten Staaten hatten sich im Vorfeld der Konferenz zudem für deren Zustandekommen eingesetzt. Die britische Regierung dagegen ging gestern auf Distanz zu der Veranstaltung. „Wir haben damit nichts zu tun“, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in London. In den irakischen Medien wurde die Konferenz bislang nicht erwähnt.

INGA ROGG