Die Macht ist mit ihm

Bernd Neumann kandidiert für die CDU. In der Hauptstadt „haben wir keine Truppen.“ Aber ihn.

Kein Zweifel, er ist der Boss. Das weiß auch der Kollege von der Konkurrenz. „Seine Senatoren“, sagt SPD-Bundestagsabgeordneter Volker Kröning, wenn er von Bernd Neumann und dessen Einfluss in der Bremer CDU spricht. Seine Senatoren – Bernd Neumann drückt das gar nicht viel anders aus: Dass 1995 hier die Große Koalition gelang, „hängt zusammen mit den Kandidaten, die alle meine waren, die ich teilweise zur Überraschung der Partei durch meine Autorität habe durchsetzen können.“

Er ist der Boss und das macht ihm Spaß. Dass das andern aber auch Spaß machen muss, das könnte die Kunst sein, mit der es Bernd Neumann gelang und gelingt, seit 23 Jahren die Nummer Eins der Bremer CDU zu sein. „Wenn Sie Erfolg haben wollen, müssen Sie immer wieder dazu beitragen, dass die Macht, die Sie haben, als angenehm empfunden wird.“ Bei ihm, findet der 60-Jährige, sei das der Fall: „Ich glaube, dass die, die in der Partei für Veränderung sind, sagen: In ihm haben wir den größten Garanten dafür.“ Er verweist auf den hohen Frauenanteil und darauf, „dass wir mit Abstand die meisten jungen Leute im Parlament haben.“ All das durchzusetzen, „in einer Partei, die ja doch ein Stück konservativ ist, geht nur mit Macht“. Macht, „die man sich immer wieder erwerben muss“. Deshalb reagiert er, der öfter mal das Augenzwinkern mitspricht, ziemlich bissig, wenn er wieder mal „der ewige Vorsitzende“ genannt wird.

Neumann als Garant für Veränderung – das dürfte einigen Weggefährten ein gequältes Lächeln abringen. Ulrich Nölle, einst Sparkassenvorstand und 1995 von Neumann zum Finanzsenator befördert, versuchte zwei Jahre später, seinen Gönner ums Amt zu bringen. Nölle, wegen seines Schmusekurses mit der SPD in der Kritik, wollte die Flucht nach vorn antreten und Neumann stürzen. Der Landesvorstand bremste ihn, Nölle trat zurück. Nachfolger wurde Hartmut Perschau – auch einer, den Neumann geholt hat. Mit Nölle, so Neumann, verbinde ihn „inzwischen wieder Freundschaft.“

Es gab dann nur noch einen weiteren Versuch von Aufmüpfigkeit, der öffentlich wurde: 1998 verpasste ihm die „junge Gruppe“, angeführt vom einstigen JU-Chef Jens Eckhoff, einen Denkzettel in Form von Neumanns schlechtestem Ergebnis, 153 von 216 Stimmen für den Parteichef. Ein Jahr später dann wurde Eckhoff zum Fraktionschef gemacht – von Neumann. „Ich habe stets versucht, so genannte Feinde zu integrieren“, gibt er zu, „aber es war deshalb ein kluger Schachzug, weil derjenige in diese Funktion gesetzt wurde, der mit Abstand der Beste ist.“

1962 trat Neumann, geboren in Westpreußen, aus Schwärmerei für Konrad Adenauer in die Kölner CDU ein. Ein Jahr später kam er nach Bremen. Nie sei er versucht gewesen, die Fronten zu wechseln, auch wenn eine Karriere mit und in der SPD vielleicht einfacher gewesen wäre. „Weniger politische, mehr atmosphärische Momente“ seien es gewesen, „die mich bestätigten, dass dieser Genossenklub wohl doch nicht der richtige ist.“

In seiner Examensarbeit kam der Lehrer, der 1972 für die Politik aus dem Schuldienst ausschied, übrigens zu dem Ergebnis, „dass eine integrierte Gesamtschule vielleicht insgesamt die bessere Schulform“ sei. Erzählt‘s, lacht und sagt: „Man muss aus den Fehlern lernen.“ Inzwischen ist Neumanns CDU die größte Kritikerin der Bremer Gesamtschulen.

Bernd Neumann hat Wadenbeißerei nicht nötig. Die Kollegen Volker Kröning und Marieluise Beck seien „gleichermaßen qualifiziert.“ Aber die Positionen der CDU seien nunmal die besseren. Und, betont Neumann, und das ist sein Pfund: Er ist wer in der CDU. Ist Mitglied im Fraktions- und Bundesvorstand. War in der Kohl-Regierung acht Jahre lang parlamentarischer Staatssekretär im Forschungsministerium – „das hat keiner aus Bremen je geschafft.“ Er hat Einfluss. Das bedeutet: Bremen hat Einfluss. Bremen, das wegen seiner Kleinheit oft wenig Beachtung findet. „Wir haben da keine Truppen“, formuliert der Bremer Neumann. Klar, er wäre gerne noch mehr geworden im Bund. „Der letzte Kick wär der Minister“, sagt er. Wenn er nicht der Bremer CDU, sondern der in NRW angehört hätte, „hätte ich den Ministerposten beansprucht.“ So aber „bin ich stolz, dass einer aus dem kleinen Bundesland Bremen überhaupt der Regierung angehört hat.“ Ehrlich klingt das, gelassen – da spricht einer, der vieles ausgelotet hat, der warten kann. Wenn die CDU am Sonntag nicht gewinnt, „dann geht die Welt nicht unter.“

Zu seiner größten Leistung erklärt Neumann die Große Koalition in Bremen. Dreimal ist er als CDU-Spitzenkandidat „gegen das Denkmal Koschnick angerannt.“ Dass die CDU sich nach der ersten Runde 1999 in der Wählergunst auf 37,2 Prozent „hochgeschraubt hat – das hat mir Genugtuung verschafft.“

Was nun, Herr Neumann? Senator wollte er nie werden, obwohl Henning Scherf ihn mehrfach gebeten habe. „Man soll nie nie sagen“, sagt Bernd Neumann, „aber das ist eine Plattitüde.“ Er fühle sich wohl in der Bundespolitik. „An sich wollte ich da auch bleiben.“ Susanne Gieffers