SPD im Abgrund

Fraktionschef Uwe Grund nach heftiger Kritik von Fraktion und Parteichef Scholz zurückgetreten. Beratungen über seine Nachfolge am Montag

von SVEN-MICHAEL VEIT

Uwe Grund hat die Konsequenzen aus seinen schwachen Auftritten in der Generaldebatte der Bürgerschaft zu Wochenbeginn (taz berichtete) gezogen. Nach heftigen Unmutsäußerungen in Fraktion und den Medien trat der 50-Jährige gestern als SPD-Fraktionschef zurück. „Die anhaltende Kritik an meiner Amtsführung“, so seine Begründung, drohe der SPD „nachhaltigen Schaden zuzufügen. Das ist für mich nicht hinnehmbar.“

Letzter Auslöser war die Tatsache, dass Parteichef Olaf Scholz den Daumen gesenkt hatte. Grund habe bei seinem jüngsten Auftritt im Parlament „keine Sternstunde“ gehabt, so Scholz. Der Mann, der als Oppositionsführer der Gegenspieler des Bürgermeisters sein soll, war von diesem erbarmungslos abgewatscht worden: „Wer Sie als Gegner hat, Herr Grund“, hatte Ole von Beust (CDU) nach dessen schwacher Rede am Montag im Parlament gehöhnt, „braucht keine Freunde mehr.“

Am Mittwoch war der Fraktionschef gar mit dreistündiger Verspätung von einer Aufsichtsratssitzung der Allianz-Versicherung in Stuttgart in die Bürgerschaft zurückgekehrt. Diesem Gremium gehört Grund als Funktionär der Gewerkschaft ver.di an. „Bei entscheidenden Debatten ist es besser, wenn der Fraktionsvorsitzende anwesend ist“, rügte Scholz. Dessen Gattin und Vize-Fraktionschefin Britta Ernst assistierte, sie wäre „froh gewesen“, wenn Grund „pünktlich da gewesen wäre“.

Nach kurzen telefonischen Beratungen mit Nahestehenden am gestrigen Nachmittag zog der 50-Jährige nach nur gut einem Amtsjahr die unweigerliche Konsequenz aus seiner öffentlichen Demontage. Scholz, der Grund auf einer SPD-Klausurtagung Mitte November noch gegen Kritik aus den eigenen Reihen in Schutz genommen hatte, dankte dem Scheidenden mit dürren Worten: „Ein Großteil der Kritik ist bei gründlicher Betrachtung ungerecht gewesen.“ Auch GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch kämpfte keineswegs mit den Tränen: „Als erster Fraktionsführer der SPD in der Opposition nach vielen Jahren hatte Uwe Grund eine undankbare Rolle“, so ihre trockene Analyse.

Über die Nachfolge Grunds werden Fraktion und Landesvorstand der SPD am Montagnachmittag beraten. Scholz sieht keinen Anlass, „hektisch eine Lösung zu finden“. In der Fraktion wird dies durchaus anders gesehen. Es sei vorstellbar, dass „jetzt einer springt“. Allerdings gibt es in der Fraktion mehr potenzielle Nachfolger, die sich das Amt zutrauen würden, als solche, die von den anderen als geeignet betrachtet werden. Ernsthafte Kandidaten dürften Innenpolitiker Michael Neumann und Wirtschaftsexperte Ingo Egloff sein. Beide sind bereits Fraktions-Vizes, mit fünf und einem Jahr in der Bürgerschaft aber noch relativ unerfahren.

Ein offenes Geheimnis im Rathaus ist, dass Ole von Beust eine Frau als parlamentarische Gegenspielerin besonders unlieb wäre. Würde die SPD auf diese Option setzen, kämen zwei Genossinnen für die Fraktionsspitze in Frage: Scholz‘ Gattin Britta Ernst und Bürgerschaftspräsidentin Dorothee Stapelfeldt.