: Springer-Liebchen
Weil ihm das Kartellamt die Übernahme von „Berliner Zeitung“ und „Kurier“ verwehrt, wittert der Holtzbrinck-Konzern eine Bevorzugung des Springer-Verlags durch die Wettbewerbshüter und sammelt Munition für eine mögliche Ministererlaubnis
von STEFFEN GRIMBERG
Am Tage nach dem „Nein“ will natürlich niemand im Hause Holtzbrinck „Kartellamtschelte“ (Konzernsprecher Rolf Aschermann) betreiben. Doch dass die Bonner Bundesbehörde die Übernahme des Berliner Verlags durch den Medienkonzern abmoderiert, sorgt für raue Töne aus Stuttgart: Holtzbrinck wirft dem Kartellamt jetzt vor, durch seine Entscheidung den Axel-Springer-Verlag zu bevorzugen.
Das „Engagement um eine ausgewogene Medienvielfalt in der Bundeshauptstadt wendet das Amt nun gegen Holtzbrinck, um angebliche Gefahren für den Konkurrenten Springer abzuwehren“, heißt es in einem Konzern-Schreiben.
Das Kartellamt hatte das Kauf-Verbot des Berliner Verlages (Berliner Zeitung, Kurier, Tip, div. Anzeigenblätter) mit dem Argument begründet, unter den regionalen Abonnementszeitungen der Hauptstadt – neben dem bereits zu Holtzbrinck gehörenden Tagesspiegel Springers Berliner Morgenpost – entstünde eine dominierende Stellung des Stuttgarter Konzerns. Es bestünden zudem „Anhaltspunkte dafür, dass der Vorsprung, den Holtzbrinck durch den Zusammenschluss auf dem Lesermarkt erreicht, langfristig auf den Anzeigenmarkt übertragen werden könnte“, so das Kartellamt. Der Anzeigenmarkt der Hauptstadt ist dank der Boulevardtitel (Bild-Ausgabe Berlin, BZ) allerdings bereits zu knapp 55 Prozent in einer Hand – und die gehört Springer.
„Die ausgewogene Medienvielfalt ist aus Sicht des Bundeskartellamtes also niedriger zu bewerten als der Fortbestand der marktdominanten Stelleung des Hauptkonkurrenten am Anzeigenmarkt“, retourkutscht Holtzbrinck.
Der verbale Schlagabtausch gehört zur Strategie der Stuttgarter, Munition für eine so genannte Ministererlaubnis zu sammeln, mit der der zuständige Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement die geplante Übernahme des Berliner Verlages doch noch genehmigen könnte. Aktuellestes Beispiel hierfür ist die Verschmelzung der Energiekonzerne E.ON und Ruhrgas, die im Juli trotz kartellamtlicher Bauchschmerzen per Ministererlaubnis durchgewunken wurde. Beide Konzerne mussten allerdings umfangreiche Zugeständnisse machen.
Auch wenn Holtzbrinck auf eine Ministererlaubnis hinarbeitet, dürften entsprechende Auflagen unvermeidlich sein. Die Kriterien für eine solche Ausnahmegenehmigung bleiben indes schwammig: Die „gesamtwirtschaftlichen Vorteile der Fusion“ müssten die „wettbewerblichen Nachteile“ aufwiegen, hieß es im Fall E.ON-Ruhrgas.
Michael Grabner hatte wohl mit entsprechender Unbill gerechnet: „Veraltete Gesetze und neu auf uns zukommende, wirre EU-Bestimmungen werden uns das Leben erschweren“, hatte der mächtige Zeitungsvorstand im Hause Holtzbrinck schon 1998 bei einer Präsentation seiner langfristigen strategischen Visionen orakelt. Er werdet den Kartellamtsspruch dennoch nur als „Zwischenergebnis“. Holtzbrinck werde nun „alle rechtlichen Möglichkeiten einsetzen“.
Kommt die Ministererlaubnis nicht, könnte Holtzbrinck gerüchtehalber geneigt sein, sich vom im Vergleich zur Berliner Zeitung weiterhin deutlich defizitäreren Tagesspiegel zu trennen. Zumindest für dessen Chefredakteur Giovanni die Lorenzo könnte es demnächst ein interessantes Angebot geben: Im andauernden Gesellschafterstreit bei der Süddeutschen soll Chefredakteur Hans Werner Kilz wackeln. Und Verlagsgeschäftsführer Dirk Refäuter hat bereits am Donnerstag seinen Abgang zum 31. Dezember angekündigt.
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