Jagd nach urbanen Nachrichten

Platzverweise und Festnahmen wegen Radiohörens von FSK in der City am Samstag: Der Kaufzwang war wegen der „Zerstreuung“ nicht eingehalten worden. Engel vom Teufel gepackt, Journalist als vermeintlicher Komplize eingesackt

von KAI VON APPEN

„Jetzt ist Schluss mit lustig!“ Um 16.37 Uhr spricht der grüne Teufel gegenüber seinen Schergen ein Machtwort. „Die Engel geistern schon den ganzen Nachmittag durch die Innenstadt und tanzen uns auf der Nase herum – Ingewahrsamnahme!“ Ein Bambule-Pfarrer und fünf seiner Engelchen von den „Sternensingern“ nimmt daraufhin das „green-team“ auf Anweisung der Einsatzleitung nahe dem Gänsemarkt fest – nebst einem ungeliebten Journalisten vom Querfunk Freies Radio Karlsruhe. Zuvor hatten die Wächter des Konsums bereits zahlreiche Platzverweise gegen Renitente erteilt, die es wagten, statt das Scheckheft zu zücken, ein Radio in der Hand halten.

Das Hamburger Alternativradio Freies Sender Kombinat (FSK) wollte am Samstag den urbanen Protest in die Konsummeilen der City durch „Zerstreuung“ tragen. Losung: „Wir erobern die City zurück – wenn wir schon in der Innenstadt nicht demonstrieren dürfen, dann sind wir wenigstens mit unseren Stimmen präsent.“ Dafür war eigens ein Programm konzipiert worden. Mit kleinen Blastern und Transistorradios ausgestattet, zogen über 100 FSK-HörerInnen in kleinen Gruppen durch die City, um die Beiträge des linken Senders auch anderen zugänglich zu machen. „Irgendwo muss es ein tolles Programm geben, viele haben heute ihren Ghettoblaster mit“, bemerkt eine Einkaufshungrige verwundert.

Die Polizisten müssen sich eigens ein Handlungsinstrumentarium zimmern, um repressiv vorgehen zu können und das Hören der falschen Nachrichten zu unterbinden. „Lärmschutzverordnung“, lautet die Zauberformel der Uniformierten. Doch so einfach ist es dann auch nicht. „Unsere Funkgeräte sind lauter als die Radios, und die können wir schon kaum wegen der lauten Weihnachtsmusik hören“, quengelt eine Polizistin. Die Unwillige wird über Funk zurechtgewiesen: „Durchgreifen – FSK hat soeben durchgegeben: neuer Treff ist am Rathausmarkt.“

Es gibt daraufhin 15 Platzverweise für die „ganze Hamburger City“. Schon zu Beginn an der Rathausstraße vor einem Plattenladen waren Radioträger, die sich einen Transistor entliehen hatten, zur Personalienabgabe verpflichtet worden. Ein verzweifelter Versuch, an diesem Tag den Überblick zu behalten, da FSK seine HörerInnen immer wieder umdirigierte.

Doch wenn die „Sternsinger“ der Bambulistas dann ihre Blockflöten herausholen und am CDU-Info-Stand Weihnachtslieder trillern oder jemand vom Kaufrausch-Parkdeck Rabatt-Gutscheine wirft, sind auch die Frauen und Männer in Grün überfordert.

Und so kommt es nach Stunden des Katz- und Maus-Spiels doch noch zum Eklat durch die Festnahme der Sternsinger. „Die haben Passanten behindert“, gibt Polizeisprecherin Ulrike Sweden gestern als Begründung an. Und dass auch der Journalist Timo Stadtler trotz amtlichen Presseausweises eingesackt wurde? „Der gehörte wohl dazu.“

Im Entferntesten stimmt das sogar. Denn Querfunk hat in Kooperation mit FSK die Sendung in Karlsruhe ausgestrahlt. Stadler über die vorweihnachtliche Stimmung in der Hansestadt: „So etwas Komisches ist mir noch nirgends passiert.“