Rütteln an Vorurteilen
: Arbeit schützt nicht vor Rückfall in die Kriminalität

Moralisches Gedankengefängnis

Forderungen von Opfern nach Rache, Satisfaktion oder irgend einer Form gesellschaftlicher Sanktion von Straftätern stehen naturgemäß hinten an, wenn Vereine wie die Bremische Straffälligenbetreuung Jubiläen feiern. Denn dann geht es um die zunehmend geringer geschätzten Interessen der Straffälligen – und ihrer VertreterInnen. So am vergangenen Freitag, als die Straffälligenbetreuung ihrem Rückblick auf 25 Jahre Arbeit einen bemerkenswerten Höhepunkt verlieh. Im Gästehaus der Universität forderte der Bremer Rechtsprofessor Karl Schumann vor rund 60 Personen ein Umdenken im Umgang mit Straftätern.

Vor allem die Annahme, dass Arbeit vor Rückfällen in eine kriminelle Laufbahn schütze, sei durch nichts belegt, so der Bremer Forscher, der auch Mitautor des im vergangenen Jahr vorgelegten ersten periodischen Sicherheitsberichts der Bundesregierung war. Jüngste Ergebnisse seiner Studie zeigten: „Arbeit hat keine positive Wirkung auf Resozialisierung.“

Dass sich Arbeit oder Ausbildung negativ insbesondere auf jüngere Straftäter bis 26 Jahren auswirke, würde der Kriminologe der Uni Bremen zwar auch nicht behaupten. „Bestimmte Maßnahmen sind wahrscheinlich eine Hilfe“, so Schumann. „Aber Arbeit resozialisiert nicht.“

Schumann geht es um die Frage, was mit den Personen geschieht, die in dieses Arbeit-hilft-immer-Schema nicht passen. Und er warnt: „Das Gedankengefängnis“, in dem sich viele Richter und Staatsanwälte eingemauert hätten, müsste dringend aufgebrochen werden. Weil viele Richter, Staatsanwälte und auch Bewährungshelfer annähmen, dass Arbeit vor Kriminalität schütze, benachteiligten sie nämlich solche jungen Straftäter, die keine Arbeit oder keinen Ausbildungsabschluss haben. Ihnen würde deshalb oft eine schlechtere Sozialprognose ausgestellt. Sie hätten folglich unter schärferen Maßnahmen und Strafen zu leiden – und vor allem das führe zur Ausgrenzung. Nicht Arbeitslosigkeit.

„Ich warne davor, diejenigen, die sich gegen Arbeit sperren, zu sanktionieren“, so Schumann. Seine Hoffnung: „Wenn sich verbreitet, dass Arbeitsverhalten kein Indiz ist für Konformität, ist schon viel gewonnen.“

Bis dahin – auch das zeigt seine Studie – ist es noch ein weiter Weg. Denn Richter, Staatsanwälte oder Personal im Vollzug glaubten noch an die „Arbeitstheorie“, die Schumann zufolge vor allem ideologischen Charakter hat. Ein Problem: Am häufigsten würden Straftäter dann rückfällig, wenn sie in Untersuchungshaft oder Strafhaft kamen. Dies habe eine vergleichende internationale Studie ergeben. „Das heißt, vor allen Justizentscheidungen bringen Nachteile.“

Auch der Berufsausbildung im Knast bescheinigte Schumann Erfolglosigkeit. Wer dort Gärtner oder Schlosser werde, habe keine bessere Chancen auf ein Leben ohne Straftat. Auszuschließen sei aber nicht, dass der Gesellenbrief von Ex-Knackis jedoch möglicherweise vorurteilsmindernd wirke – bei jenen Arbeitgebern, die wie viele andere dem Irrglauben aufsäßen, dass wer eine Ausbildung habe und arbeiten wolle, weniger anfällig für Straftaten sei.

ede