Nationalisten im Siegeszug

Hindu-Radikale feiern nach Wahlsieg in dem indischen Bundesstaat Gujarat, wo vor einigen Monaten blutige Pogrome gegen Muslime stattfanden. Die Muslime sorgen sich nun wieder um ihre Sicherheit

aus Delhi BERNARD IMHASLY

Die Hindu-Rechte hat in der Parlamentswahl vom Donnerstag im westindischen Bundesstaat Gujarat einen überwältigenden Sieg errungen. Die Auszählung gestern ergab für die auch auf Bundesebene regierende nationalistische BJP 126 Sitze, zehn mehr als vorher und eine Zweidrittelmehrheit, während die oppositionelle Kongress-Partei mit 51 Sitzen zwei Mandate verlor.

Das Ausmaß des Sieges lässt sich daran ermessen, dass die lokale BJP seit über zwei Jahren alle Wahlen auf Dorf- und Bezirksebene sowie in Nachwahlen zum Provinz- und Zentralparlament verloren hatte. Auch in anderen Bundesstaaten hatte die Nationalpartei seit drei Jahren kontinuierlich Boden eingebüßt.

Beobachter sind sich einig, dass die Trendwende dem neuen Regierungschef von Gujarat, Narendra Modi, zu verdanken ist sowie den Ausschreitungen gegen Muslime, nachdem Mitglieder dieser Gemeinschaft am 27. Februar einen Pilgerzug mit Hindu-Pilgern in Brand gesteckt hatten. Dem BJP-Regierungschef, der auch Mitglied der radikalen Hindu-Organisation RSS ist, wurde vorgeworfen, das Pogrom geschürt zu haben, um die schwindende Fortune seiner Partei aufzuhalten.

Er löste das Parlament vorzeitig auf und wollte bereits im Juli Wahlen durchführen. Die unabhängige Wahlkommission trat dazwischen und verschob diese auf den Dezember, in der Hoffnung, die Welle religiösen Hasses verebben zu lassen. Dies hinderte Modi allerdings nicht daran, schon lange vor Beginn des Wahlkampfs zwölf „Pilgerfahrten“ durch Dörfer und Städte zu unternehmen. In ihnen bezeichnete er die Verbrennung von Hindu-Pilgern am Bahnhof der Kleinstadt Godhra als Ausdruck des „muslimischen Terrorismus“ und machte dafür Pakistan, die Muslim-Minderheit in Gujarat, die Kongress-Partei und „Säkularisten“ verantwortlich.

In Gujarat zogen gestern jubelnde BJP-Anhänger nach Bekanntgabe der Ergebnisse durch die Straßen von Städten und Dörfern und zündeten Feuerwerke. Für die muslimische Minderheit hatten die Explosionen der Knallkörper einen ominösen Klang. Viele machten sich daran, ihre Habseligkeiten zu packen und in größeren muslimischen Ghettos Schutz zu suchen, um nicht zu Zielscheiben des Triumphalismus feiernder Hindu-Wähler zu werden.

Die Äußerungen der siegreichen Politiker – darunter solche, die wegen Anstiftung religiösen Hasses unter Anklage stehen – trugen nicht dazu bei, die Minderheiten zu beruhigen. Das Gefühl, es den Anderen „gezeigt“ zu haben, herrrschte vor, verbunden mit der Drohung, das Beispiel von Gujarat im restlichen Indien zu wiederholen.