Frankreichs Grüne nach dem Wahldebakel

Auf dem Kongress von „les Verts“ erteilen die Delegierten den bisherigen Parteigrößen und der PS eine klare Absage

PARIS taz ■ Es war der erste Kongress einer linken Regierungspartei nach dem Debakel der Wahlniederlagen dieses Frühsommers. Er geriet zur radikalen Vergangenheitsbewältigung und zur Führungskrise. Im westfranzösischen Nantes erteilten am Wochenende „les Verts“ all ihren bisherigen Parteigrößen – von Expräsidentschaftskandidat Noël Mamère über Exparteichefin und Exministerin Dominique Voynet bis hin zu Europaparlamentarier Daniel Cohn-Bendit – klare Absagen. Eine deutliche Mehrheit (54 Prozent) der grünen Delegierten favorisierte stattdessen das Programm der linken, fundamentalistischen Strömung „Désir de Vert“ (DDV). Den geplanten Führungswechsel vertagte die Partei trotzdem.

„Wir haben viel zu viele Rückzieher und Zugeständnisse gemacht“, erklärten die SprecherInnen des linken Flügels DDV vor den 585 Delegierten. Den „Jospinismus“ nannten sie eine „Gleichgewichtsübung“ . Dem Hegemoniebestreben der Sozialdemokraten (PS) erteilte ihr Kandidat für die Parteiführung eine klare Absage. „Wir müssen unsere Identität als Ökologen ohne Komplexe bestätigen. Wir brauchen keinen großen Bruder, der uns beschützt, und noch weniger eine einheitliche linke Partei“, sagte Gilles Lemaire. Für die Zukunft schlägt der 51-jährige Pariser Informatiker „klaren Widerstand“ vor: gegen die Vereinigung der französischen Bosse, Medef, und gegen die „reaktionäre Regierung“.

Seine Strömung DDV erhielt von den Delegierten am Samstag eine klare Mehrheit. Alle anderen Parteiflügel zusammen genommen schafften nur 45,6 Prozent. Dennoch konnte sich Lemaire bei der für gestern angesetzten Wahl nicht als neuer Parteichef durchsetzen. Statt der nötigen 60 Prozent schaffte er nur 54 Prozent der Stimmen. Am Ende optierten Les Verts für eine Übergangslösung bis Mitte Januar: die bisherige Parteichefin Voynet soll die Amtsgeschäfte weiterführen, obwohl ihr Programm „Renovons“ in Nantes nicht einmal 20 Prozent bekam.

Expräsidentschaftskandidat Mamère, der den französischen Grünen im April zum ersten Mal in ihrer Geschichte knapp über 5 Prozent der Stimmen verschafft hatte, zeigte sich als schlechter Verlierer. „Ich bin nicht mit den Grünen verheiratet“, sagte er in Nantes. Mamère war von der neuen starken linken Strömung auch wegen statutenwidriger Ämterhäufung kritisiert worden: Er ist Bürgermeister der Kleinstadt Bègles und zugleich einer der drei verbliebenen grünen Parlamentsabgeordneten (vorher sechs). Europaparlamentarier Cohn-Bendit war angesichts der bevorstehenden Niederlage seines Programms erst gar nicht nach Nantes gereist.

Les Verts, die sich jetzt in Sozialdemokratenkritik üben, haben bislang nie allein den Einzug in das Parlament geschafft, sondern nur dank Wahlabsprachen und gemeinsamer Listen mit der PS. Doch die neu ausgebrochenen Flügelkämpfe bei Les Verts verlaufen nicht nur zwischen Mitte und Links. Es bröckelt auch dramatisch nach rechts: So lief im September in Paris ein grüner Abgeordneter des Regionalparlamentes zu der rechtsliberalen UDF über. DOROTHEA HAHN