Merz sucht Krawall

Als Fraktionsvize der Union attackiert er Parteichefin Angela Merkel. Als Arbeitsexperte legt er CDUlern nahe, die Gewerkschaften zu verlassen

von RALPH BOLLMANN

Knapp zwei Monate nach dem Verlust seines Amtes als Unions-Fraktionschef hat der CDU-Politiker Friedrich Merz seine Nachfolgerin Angela Merkel frontal angegriffen. Zugleich fordert Merz alle CDU-Mitglieder dazu auf, aus den Gewerkschaften auszutreten oder zumindest die Zahlung der Mitgliedsbeiträge zu verweigern. Merkel hatte Merz nach seiner Ablösung zu ihrem Superfraktionsvize für Arbeit, Wirtschaft und Steuern gekürt.

In einem Interview mit der Berliner Zeitung warf Merz der Partei- und Fraktionschefin vor, sie habe seine Ablösung von langer Hand vorbereitet und bereits vor der Bundestagswahl „mit fast allen Landesvorsitzenden der CDU besprochen“. Bei einem Gespräch am Wahlabend hätten ihm Merkel und Kanzlerkandidat Stoiber den Posten des Bundestagspräsidenten angeboten, was er „sofort abgelehnt“ habe. Ihn habe das Verhalten Merkels „nicht wirklich überrascht“, fügte er mit Anspielung auf den Charakter der Parteichefin hinzu, „weil ich Frau Merkel in solchen Situationen mittlerweile kenne“.

Über die Gewerkschaften zieht Merz in der heutigen Ausgabe des Focus vom Leder. Sie träten „mit einem immer dreister vorgetragenen Macht- und Gestaltungsanspruch“ auf, obwohl „nur noch ein Fünftel der Beschäftigten“ hinter ihnen stehe. „Selbst auf die Steuergesetze“ wollten sie Einfluss nehmen. Auf die Frage, wie sich CDU-Gewerkschafter dazu verhalten sollten, sagte Merz: „Ich wäre längst ausgetreten.“ Seinen Parteikollegen in den Gewerkschaften gibt er den Rat, „zumindest ihren Mitgliedsbeitrag zurückzuhalten“.

CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer bewertete Merz’ Äußerungen mit den Worten, er wolle sie nicht bewerten. „Manche Dinge kommentieren sich von selbst“, so Meyer, „Frust muss raus, damit er sich abbaut.“ Kritik übte auch der niedersächsische CDU-Spitzenkandidat Christian Wulff. Die Union stehe vor einer historischen Verantwortung, und „da geht interner Zwist an den Anforderungen schlichtweg vorbei“.

Grundsätzliches Verständnis für Merz äußerten dagegen Fraktionsvize Wolfgang Bosbach und der brandenburgische CDU-Vorsitzende Jörg Schönbohm. „Ich kann Friedrich Merz verstehen, er war ein sehr guter Fraktionschef“, sagte Schönbohm. „Zeitpunkt und Art dieser Diskussion halte ich aber für unglücklich.“ Auch Bosbach sagte, er frage sich, „ob das der Union in dieser Situation besonders hilft“.

Dass er sich mit der Interview-Offensive nicht nur Freunde macht, ahnte Merz offenbar selbst. „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“, sagte er über seinen kooperativen Umgang mit Superminister Wolfgang Clement. „Ich bin in der persönlichen Auseinandersetzung nicht auf Krawall gebürstet. Im Gegenteil.“