Kanzler umkurvt Vermögensteuer

Die neue Lieblingssteuer von Gerhard Schröder heißt Abgeltungsteuer. Sie soll geflohene Kapitalvermögen anlocken, den innerparteilichen Streit schlichten und den Anklang bei der Opposition finden. SPD-Landesfürsten signalisieren Zustimmung

aus Düsseldorf ANDREAS WYPUTTA

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) versucht mit neuen Steuerideen, aus dem Stimmungstief herauszukommen und gleichzeitig den innerparteilichen Streit um die Vermögensteuer zu beenden. Der Kanzler will dies mit der Einführung einer neuartigen Steuer auf Kapitalvermögen schaffen. Schröder und sein Finanzminister Hans Eichel werden den Vorschlag heute mit dem SPD-Präsidium beraten. Die Öffentlichkeit wird am Abend unterrichtet – bei einem Auftritt Schröders mit dem niedersächsischem Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel (SPD), dem hartnäckigsten Verfechter der Vermögensteuer.

Kanzleramt und Finanzministerium hatten am Samstag Gespräche über eine neue Zinssteuer bestätigt. Danach soll diese pauschale Abgeltungsteuer von 25 Prozent direkt von den Banken abgeführt werden, bisher gilt der individuelle Steuersatz von 19,9 bis 48,5 Prozent. Für Kursgewinne aus Aktienspekulationen bliebe ein Steuersatz von 15 Prozent.

Schröder hofft auf Einnahmen in dreistelliger Milliardenhöhe. Geplant ist nämlich gleichzeitig eine Amnestie für Steuerflüchtlinge: Wer sein im Ausland angelegtes Schwarzgeld innerhalb von zwölf Monaten in Deutschland versteuert, soll straffrei ausgehen. Das Fluchtkapital – Experten rechnen mit über 100 Milliarden Euro – wird mit der neuen Steuer heimgeholt und legalisiert.

Die dabei zu erwartenden Einnahmen von über 30 Milliarden Euro könnten den Bildungsetats der Länder zugute kommen. Führende SPD-Landespolitiker wie Gabriel und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück signalisierten bereits Kompromissbereitschaft. Steinbrück sagte, eine stärkere Besteuerung von Kapitalerträgen „war richtig, ist richtig und bleibt richtig“. Allerdings könne auch eine Zinssteuer diesen Zweck erfüllen.

Unterstützt wird Schröders Steuercoup auch von der Opposition: Der Fraktionsvize der CDU im Bundestag, Friedrich Merz, nannte die Pläne „grundsätzlich richtig“. Allerdings dürfe der Steuersatz nicht mehr als 25 Prozent betragen. Auch Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) begrüßte die neue Zinssteuer – nicht ohne zu lästern, die Regierung wollte Vermögenden erst ans Geld und plane nun, „Spitzenverdiener und Vermögende besonders weitgehend“ zu entlasten.

Stoiber nahm damit die Schwachstelle des Schröder-Konzepts ins Visier: Die gigantischen Kapitalvermögen bleiben steuerlich unangestastet. Obendrein sinkt der Steuersatz auf Kapitalerträge für Spitzenverdiener um knapp die Hälfe. Die drohenden Einnahmeverluste für den Fiskus sind nur zu schließen, wenn die Kapitalflüchtlinge die Amnestie im großem Stil akzeptieren. Völlig unklar ist deshalb, wie Gewerkschaften und die Traditionalisten in der Bundestagsfraktion reagieren werden.

NRW-Ministerpräsident Steinbrück betonte dagegen, die Kapitalsteuer werde sozialverträglich ausfallen: „Wir werden nicht das Häuschen, die Trockenhaube oder den Rasierapparat verstaatlichen.“ Die bisherigen Steuerfreibeträge blieben bestehen. In Berlin hieß es darüber hinaus, Bezieher kleinerer Einkommen, die bisher weniger als 25 Prozent auf Kapitalerträge gezahlt hätten, bekämen die Differenz im Zuge des Einkommensteuerausgleichs zurückerstattet.

Mit seiner Steueroffensive rechnet sich Schröder gute Chancen aus, die innerparteiliche Kritik an seinem Führungsstil zu beenden. So ging der Vorsitzende des mächtigen nordrhein-westfälischen SPD-Landesverbandes, Harald Schartau, am Samstag in Anwesenheit von Schröders Generalsekretär Olaf Scholz hart mit der „Orientierungslosigkeit“ der Bundespolitik ins Gericht. Spekulationen, die NRW-SPD werde sich ähnlich wie die CSU in Bayern in Opposition zur Bundespartei positionieren, erteilte der SPD-Landesvorsitzende freilich eine klare Absage: „Davon halte ich gar nichts“, sagte Schartau der taz.