orte mit basketball (4)
: HENNING HARNISCH über Korbsport in Leverkusen

Bayerluft mit Ganser Kölsch

Leverkusen, das waren die raren Momente in der „Sportschau“, wenn dort Anfang der 80er Basketball gezeigt wurde. Leverkusen, das waren die fünf Minuten, wenn der Kommentator von Brauer, Kater, Weber und Körner sprach, von diesen damals jungen Spielern in den hübschen gelben Trikots. Leverkusen. Bevor andere Wahrnehmungsquellen ins Spiel kamen, da war nur Wohlklang bei diesem Wort.

Manchmal, und dann ist Basketball wirklich schön, wird man als Zuschauer Zeuge, wie eine Idee, die ein Mehr als das immer Gleiche zum Thema hat, sich im Handeln der Spieler ausdrückt. Das sind die Augenblicke, in denen alle, ob gewollt oder nicht, (auf)merken und stillschweigende Übereinkunft darüber herrscht, dass hier etwas passiert. Wir sind in der Dopatka-Halle in Leverkusen. Manchmal braucht es nicht länger als ein Viertel im Basketball, um eine Idee sichtbar zu machen, gerade mal zehn Minuten. In denen schielen die Gießener Spieler immer öfter fragend, so wie Kinder zu ihren Eltern schauen, wenn ihnen auf dem Spielplatz die Schippe entwendet wurde, in Richtung Bank und Coach. Kein Wunder, liegen sie doch kurz vor Ende des ersten Viertels mit knapp zwanzig Punkten hinten. Gegen eine Leverkusener Mannschaft, die mit ihrer Presse über das ganze Feld eine beeindruckende Semantik voller Ausrufungszeichen produziert. Alle sind in Bewegung, alle machen mit, inklusive Auswechselbank. Eine Stunde später, das Spiel trudelt aus. Den hohen Rhythmus in Angriff und Verteidigung konnten die Leverkusener nicht halten. Doch die knapp 1.500 Zuschauer werden wiederkommen.

In Leverkusen werden die Grenzen der Stadt von den Autobahnen gezogen, eine führt gar mittendurch. In Leverkusen thront ein Kreuz. In Leverkusen atmet man, wenn der Wind aus dem Westen kommt, die Identität der Stadt, dann weht Bayerluft (und die inhaliert man automatisch flach). In Leverkusen regelt „der Bayer“, wie die Einheimischen sagen, als ob sie über einen Kumpel reden würden, alles, nicht nur Luft und Arbeit. Selbstverständlich auch den Basketball. In Leverkusen-Küppersteg, da spielen sie, die Basketballer, in einer Rundsporthalle, die, das soll für die Frage nach der Modernität genügen, vor langer Zeit unter Asbestverdacht stand. Repräsentiert wird auf der anderen Straßenseite: dort befindet sich die BayArena, Spielstätte der Fußballer und der Jetztzeit.

Heimo Förster ist echter Leverkusener. Er hat den Verein (seit den Minis), das Werk (Ausbildung zum Feinmechaniker, später Computertechniker) und die Stadt durchlaufen. Seit dieser Saison ist er Trainer der Bundesligamannschaft, vom Werk für diese Tätigkeit freigestellt. Viele Leute hier in Leverkusen haben nicht verstanden, dass ausgerechnet er, der Heimo, hier Trainer wird. Der hat doch gar nicht die Qualifikation dafür, sagten sie. Stimmt, Förster hat vorher nur Regionalliga trainiert, aber die Leute vergessen oder wissen nicht, dass er schon seit Ewigkeiten wie ein Trainer denkt. Förster war jahrelang elfter Mann beim „Bayer“, das heißt, gespielt hat er eigentlich nie. Doch diese Zeit in den 90ern, als der Club siebenmal in Folge deutscher Meister wurde, hat er mehr als genutzt. Gab es Fragen damals, war er der erste Ansprechpartner für alle Spieler und den Trainer. Die Mannschaft, die mit uns nach dem Spiel im Restaurant die Straße runter sitzt, hat er – mit seinem Jugendfreund Thomas Deuster, der Manager des Teams ist – bewusst so zusammengestellt. Förster wollte junge Spieler, er will mit ihnen langfristig planen. Und die kamen gerne. Förster wollte und bekam auch Denis Wucherer, einen Exnationalspieler, der das letzte Jahr durch die Liga und das Leben getingelt ist, seine beste Zeit aber noch vor sich hat. Förster wird, so scheint es, Zeit für seine Ideen gegeben. Und das ist das größte Kompliment, was man einem Sportsponsor zurzeit wohl machen kann.

Leverkusen. Für einige der jungen Spieler war klar, dass sie dort spielen, aber nicht unbedingt wohnen wollten. Also sind sie ins benachbarte Köln gezogen. Dachten sie. Vielleicht hätte ihnen jemand sagen sollen, dass Köln-Stammheim zwar offiziell zu Köln gehört und nahe an Leverkusen und Training liegt, doch mit der Stadt Köln ungefähr so viel zu tun hat wie das Ganser Kölsch, das neben dem Werk gebraut wird. Das erzählt lachend Heimo Förster. Ein Leverkusener.