Große Zinsreform vorgestellt

Bundesregierung will pauschal an der Quelle besteuern. Amnestieregelung für geflüchtetes Kapital im Ausland: Bei Selbstanzeige weit niedrigere Steuersätze als bisher. Bankgeheimnis wird weit gehend eingeschränkt. Schwierige Details

aus Berlin ULRIKE HERRMANN

Bundeskanzler Schröder stellte gestern offiziell den Entwurf für die neue Zinsbesteuerung vor. Künftig wird eine so genannte Abgeltungssteuer greifen. Pauschal sind dann nur noch 25 Prozent der Zinsen an den Fiskus abzuführen. Bisher galt der individuelle Steuersatz, der maximal 48,5 Prozent betragen konnte. Damit solle ein „attraktives Steuerumfeld“ geschaffen werden – auch im Vergleich zu den anderen europäischen Staaten, die meist ebenfalls eine Zinsabschlagsteuer erheben.

Für Geringverdiener ändert sich allerdings nichts: Wer schon jetzt weniger als 25 Prozent Steuern auf seine Zinsen zahlt, muss auch künftig nicht mit Mehrbelastungen rechnen. Wie in Frankreich soll es die Option geben, zwischen der individuellen Veranlagung und der Pauschalsteuer zu wählen.

Neu sind allerdings die Zugriffsmöglichkeiten des Staates: Das Bankgeheimnis wird aufgehoben; die Kreditinstitute schicken künftig automatisch „Kontrollmitteilungen“ über die Zinserträge an die Finanzämter.

Finanzminister Hans Eichel (SPD) sah gestern „mehr als eine 50-prozentige Chance“, sich mit den EU-Partnerländern auf einen „automatischen Informationsaustausch“ über Zinserträge von EU-Inländern zu verständigen, etwa mit den Niederlanden und Großbritanien. Beide Staaten hätten sich bereit erklärt, dass auch „alle abhängigen Gebiete“ wie die Kanalinseln an dem Informationsaustausch mitwirken würden. Die entscheidende Sitzung der EU-Finanzminister werde am 21. Januar stattfinden.

Zu diesem Termin soll Eichel die endgültige Regelung für die Zinsabschlagsteuer vorlegen. Denn noch sind viele Details „unklar“ und „kompliziert“, wie Schröder und Eichel gestern freimütig zugaben. So sei es nicht leicht, den Sparerfreibetrag in das neue System zu intergrieren. Er beträgt 1.601 Euro pro Kopf und soll nicht angetastet werden.

Parallel zur Abschlagssteuer wird es eine „Rückkehrmöglichkeit“ für Steuersünder geben. Sie können ihr „Schwarzgeld“ (Schröder) straffrei nach Deutschland transferieren, wenn sie im Gegenzug eine einmalige Steuer von 25 Prozent der Summe bezahlen. Allerdings kann es sogar „eventuell weniger“ sein, wie Eichel anklingen ließ – wenn der Steuersünder nachweisen kann, dass er sein Vermögen im Ausland zuvor in Deutschland ordnungsgemäß veranlagt und nur die Zinserträge hinterzogen hat. Dieses Angebot gilt allerdings nur bis Sylvester 2003. Danach steigt die fällige Steuer auf 35 Prozent an; am 30. Juni 2004 soll die Regelung ganz auslaufen.

Schröder erwartete gestern, dass mindestens 100 Milliarden Euro den Weg nach Deutschland zurückfinden werden. Die Steuer darauf würde auf Bund und Länder nach dem gleichen Schlüssel verteilt wie die Einkommensteuer. Die Länder hätten dann die Mittel für die gewünschten Bildungsinvestitionen, glaubt der Kanzler. Er ging daher „davon aus, dass die Diskussion über die Vermögensteuer beendet werden kann“.

Schröder und Eichel wehrten sich gestern heftig dagegen, dieses Lockangebot eine „Amnestie“ zu nennen, das sei „der ganz falsche Begriff“. Denn am Strafrecht ändere sich nichts; Voraussetzung für „die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit“ sei die „strafbefreiende Selbstanzeige“. Sie ist auch jetzt schon möglich – allerdings ohne Rabatte.