Ein Mann der großen Geste

John Storgårds und die Bremer Philharmoniker zähmen mit fulminanter Orchestervirtuosität Berlioz und ein dickes Tier mit Borsten – doch zu Mozarts Sinfonia Conertante bleibt ihnen für diesmal der Weg versperrt

Die Wiedergabe der Ouverture „Le Corsaire“ von Hector Berlioz riss den finnischen Dirigenten John Storgårds fast aus seinem eingegitterten Dirigentenpult. Was nicht heißen soll, dass er die Kontrolle über die asymmetrischen melodischen Phrasen verloren hätte.

Aber die mitreißende Wiedergabe zeigte, wo die derzeitigen Meriten des jungen Dirigenten liegen: In fulminanter Orchestervirtuosität und Wucht. John Storgårds ist ein Mann der großen Geste, des Abhebens im wahrsten Sinn des Wortes.

Gelang ihm und den Bremer Philharmonikern also im letzten Philharmonischen Konzert der Saison hervorragend dieser unwiderstehliche dramatische Sog, diese See- und Sturmbilder, die Berlioz nach der literarischen Vorlage von Lord Byron geschaffen hat, so musste er bei Mozart regelrecht passen. Die Wiedergabe von dessen berühmter „Sinfonia Concertante“ für Violine, Viola und Orchester kann leider als nicht viel mehr als eine Annäherung bezeichnet werden, so groß war der Mangel an Farben, an Gestalten, an Poesie.

Da konnten auch die SolistInnen Rainer Schmidt und Veronika Hagen – vom zuvor hier gastierenden hervorragenden Hagen-Quartett – nichts ausrichten. Auch sie spielten ihre Parts recht orientierungslos vor sich hin. Schade, das war einfach die falsche Programmwahl.

Denn an der abschließenden, so sperrigen „Reformations-Sinfonie“ von Felix Mendelssohn Bartholdy wurde wieder deutlich, dass man gespannt sein darf auf den weiteren dirigentischen Weg von Storgårds, der von Haus aus Geiger ist. Das aus Anlass der Dreihundertjahrfeier der Augsburger Konfession entstandene Werk des damals Zwanzigjährigen – er war im Alter von sieben Jahren vom Judentum zum Protestantismus konvertiert – türmt formale und instrumentelle Experimente gewaltig aufeinander. Die Komposition legt den Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ zugrunde und versucht mit einem Zitat einer Gesangsformel der lutherischen Kirchen Sachsens, dem sogenannten „Dresdner Amen“, instrumentalen weltlichen und kirchlichen Stil zu verbinden.

Storgårds versuchte nicht, die Brüchigkeit des Werkes zu übertünchen: So überzeugte er mit dem gut folgenden Orchester in einem ungemein originellen Werk, das der Komponist selber lebenslang nicht mehr leiden konnte. Die Sinfonie, so hatte Mendelssohn später über sie geurteilt, sei ein „dickes Tier mit Borsten“.

Ute Schalz-Laurenze