Gesucht: Baugrund für Atomklo

Arbeitskreis zur Suche eines atomaren Endlagers übergibt Umweltminister Jürgen Trittin seinen Verfahrensvorschlag. Obwohl nach diesem die Suche praktisch bei null beginnen muss, redet alles nur von Gorleben. CDU sieht ihre Politik bestätigt

aus Berlin NICK REIMER

Draußen gab’s für Bundesumweltminister Jürgen Trittin gestern das Atomklo, drinnen viel Papier. Während die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg vor dem Umweltministerium gegen das „Projekt Gorleben“ demonstrierte, übergab der Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte (AK End) drinnen seinen Abschlussbericht. Im Oktober hatte das 14-köpfige Expertengremium seine Arbeit vorgestellt und auf einem Symposium diskutieren lassen. „Das hat noch zu Änderungen geführt“, sagte Ausschussmitglied Hans-Jörg Haury der taz. So seien etwa den Bundesländern mehr Mitspracherechte eingeräumt worden.

Auch der AK End hält ein untertägiges Lager für das sicherste – in Tiefen zwischen 300 und 1.500 Metern. Seismik, Störungspotenziale im Deckengebirge oder Isolationsvermögen des Gesteins – die geowissenschaftlichen Kriterien sind nicht wesentlich neu. Neu sind dagegen sozialwissenschaftliche Kriterien, denen auschließende Wirkung zugebilligt werden. Wenn die Bevölkerung einer Region mehrheitlich Nein zum Endlager sagt, „dann muss das zählen“, erläutert der Sozialwissenschaftler Detlef Ipsen.

Andererseits soll die Region, die letztlich das Endlager beherbergt, auch etwas davon haben: „Wir schlagen einen Fonds vor, der die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung dort langfristig fördert“, so Ipsen. Schließlich sei der Atommüll nicht von der Region produziert, sondern vom ganzen Land. Hinzu kommen planungswissenschaftliche Ausschlusskriterien. „Wo ein Natur- oder Wasserschutzgebiet ist, kann kein Endlager gebaut werden“, sagt Ipsen. Beachtet werden sollen auch Auswirkungen des Endlagers auf Arbeits- und Wohnungsmarkt, Image und Wirtschaftsentwicklung.

So weit die Kriterien. Hier das Verfahren: So schnell wie möglich soll sich jetzt die Gesellschaft mit dem vorgeschlagenen Prozedere befassen. „Angefangen bei unserer Empfehlung für ein untertägiges Endlager – wenn die Bevölkerung will, kann prinzipiell alles geändert werden“, so Haury. Wichtig sei aber, dass die Politik das eventuell geänderte Verfahren etwa 2004 mit Gesetzeskraft legitimiert. Im Schritt danach sollen die Bundesrepublik in einzelne Gebiete „gerastert“ und die geowissenschaftlichen Gegebenheiten untersucht werden. In Gebieten, in denen sich eine potenzielle Eignung abzeichnet, sollen parallel mit Bürgerforen die sozialwissenschaftlichen Kriterien untersucht werden. Im Ergebnis sollen die Kommunalvertreter für die Region akzeptieren – oder eben nicht. Probegebohrt werden soll ab 2010, das Endlager 2030 in Betrieb genommen werden.

Während also die Standortsuche praktisch von vorn beginnt, kaprizierte sich gestern die Debatte auf Gorleben. „Das Papier liefert keinen Beweis für die Nichteignung von Gorleben“, erklärte etwa der CDU-Energieexperte Kurt-Dieter Grill der taz. Insofern sei die zügige Wiederaufnahme der Erkundung des Salzstockes jetzt möglich. Grill: „Ich interpretiere zudem die Arbeit so, dass praktisch zwei Endlager möglich sind“, was die bisherige Politik der Union bestätige. Umweltminister Jürgen Trittin erklärte dagegen, angesichts der Empfehlungen und des Protestes komme Gorleben als Atom-Endlager „kaum noch in Frage“.

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