Taktieren ist alles

Der Bundestag beschließt den „Wahllügen“-Ausschuss noch am Freitag. Aber Zeugen werden nicht mehr vor den Landtagswahlen auftreten

BERLIN taz ■ Der neue parlamentarische Untersuchungsausschuss über die „Wahllügen“ wird wohl vor den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen keine spektakulären Zeugen mehr vernehmen. Aus den Kreisen der Obleute, die ihre Fraktionen im Ausschuss vertreten, verlautete gestern, dass der Ausschuss unter normalen Bedingungen erst Mitte Januar mit der eigentlichen Arbeit beginnen wird. Dazu zählen dann auch die Ladungen an Zeugen – die in der Regel mit einer 14-tägigen Frist ausgesprochen werden.

Ziel der Union und vor allem des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) war es, den Untersuchungsausschuss zu einem Wahlkampfinstrument zu machen. Unter anderem sollten Finanzminister Hans Eichel sowie der Bundeskanzler noch vor dem Wahltermin Abfang Februar vernommen werden – um ihnen nachzuweisen, dass sie die Bundesbürger über die tatsächliche wirtschaftliche Situation getäuscht hätten. Der Ausschuss wird auf Betreiben Kochs von der Union installiert.

„Wir wollen nicht verzögern“, versicherte Jerzy Montag, der designierte Obmann der Grünen im Ausschuss. Wenn es nach ihm ginge, könnte sich der Ausschuss noch am Freitag dieser Woche konstituieren. Der Bundestag wird den Beschluss über den Ausschuss gleichfalls am Freitag fällen. Ob Bundestagspräsident Wolfgang Thierse noch am gleich Tag die Konstituierung vornehmen soll, blieb gestern offen. Sowohl die SPD als auch die Grünen sind im Grundsatz dazu bereit – sehen gleichwohl die Notwendigkeit für diese Eile nicht. „Wir sind ja nicht auf der Flucht“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck.

Aber selbst wenn der Ausschuss noch am Freitag seine Arbeitsfähigkeit herstellen würde, stehen Aufsehen erregende Zeugenbefragungen im Januar nicht mehr an. Der normale Geschäftsgang sieht vor, dass zunächst über die Reihenfolge der Beweiserhebung gesprochen wird. Jerzy Montag plädiert dafür, „keine Befragungen von Zeugen ins Blaue hinein zu machen“. Er will zunächst die Akten aus den Ministerien anfordern, aus denen hervorgehen soll, dass die Beamten die rot-grünen Minister bereits vor der Bundestagswahl im September über schlechte Konjunkturprognosen und dramatisch sinkende Steuereinnahmen informiert hätten.

CHRISTIAN FÜLLER