„Die Vorbehalte entkräften“

Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram präsentiert ihr geschlossenes Heim mit Ikea-Möbeln und bruchsicheren Fenstern. Vom Trompetenbaum blieb nur ein Stumpf. Jugendwohngruppe vom Südring wird in die Feuerbergstraße verlagert

von KAIJA KUTTER

Beim Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung (LEB) arbeiten Pädagogen und keine Gefängniswärter. Folglich glückte es LEB-Chef Wolfgang Lerche gestern bei der Presse-Präsentation des geschlossenen Heims in der Feuerbergstraße, „Vorbehalte zu entkräften“, wie es Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) wünschte. Motto: Jungs, um die sich sonst keiner kümmert, werden es dort gut haben, weil sie Struktur, Bildung und Regeln beigebracht bekommen.

Nicht mal Gitter an den Fenstern gibt es, sondern lediglich bruchsichere Scheiben. „Da kann man 30-mal mit der Axt reinhauen. Die gehen nicht kaputt“, sagt der neue Heimleiter Wolfgang Weylandt. Elf Mitarbeiter, kräftige, knuffige Herren überwiegend, teils mit Pferdeschwanz, standen zur Begrüßung an Stehtischchen und tranken Kaffee. Was sie auch künftig tun werden, wenn man der Voraussage des Jugendhilferechtsexperten Christian Bernzen glaubt. Denn der juristische Weg, den die Senatorin gehen will, um das Heim zu füllen, ist umstritten. Keine Straftäter, sondern Zwölf- bis 16-jährige Jungen, die in Gefahr sind, kriminell zu werden, sollen nach § 1631b des Bürgerlichen Gesetzbuchs dort für ein Jahr untergebracht werden. Diese Fälle aufspüren und bei der Einweisung nachhelfen soll das „Familien-Interventions-Team“, das die Senatorin im Januar vorstellt.

„Das Ticket für die Einweisung ist keine Straftat, sondern die Kindeswohlgefährdung“, betont Behördenreferent Dirk Bange. Für die gewalttätige Lokstedter Jugendbande sei es beispielsweise zu spät. Die seien ein Fall für die Justiz. Bange: „Es geht darum, präventiv kriminelle Verläufe zu unterbinden.“

Etwa die Hälfte der Mitarbeiter kommen aus dem LEB, die andere Hälfte wurde neu eingestellt und „durch interne Umschichtung finanziert“, wie Lerche erklärt. So werden die acht Plätze der „Intensiv betreuten Wohngruppe“ am Südring, die schon bisher für gefährdete Kinder bereitstand, aber nur zu 20 Prozent ausgelastet war, in die Feuerbergstraße verlagert. Zu dem Elfer-Team kommen 1,5 Lehrerstellen und Handwerker für die Werkstunden hinzu. Dieser hohe Personalschlüssel, verspricht der LEB-Chef, werde auch beibehalten, wenn es zu einer Aufstockung auf 25 Plätze komme.

„Wohl fühlen“ sollen sich die Jugendlichen in der Feuerbergstraße, sagt die Senatorin. Die Schlafzimmer sind mit Ikea-Möbeln bestückt, in den Gruppenräumen stehen robuste schwarze Ledersofas, auf denen noch die Kissen fehlen. Die Erzieher sollen ein Anti-Aggressionstraing machen. In Konfliktsituationen werde pädagogisch reagiert, „ohne Einsperren in Zellen“, betont die Senatorin. Lerche: „Wenn ein Jugendlicher außer sich ist, geht ein Mitarbeiter mit ihm aufs Zimmer und bleibt dort.“ „Menschen statt Mauern“, nennt dies der Pädagoge Jörg Sonntag, der anno 1978 noch in einem geschlossenen Heim in Wulfsdorf arbeitete: „Ich bin von dem neuen Konzept überzeugt. Es gab nach der Heimauflösung Kinder, die durch die Masche fallen“, sagt er ins Mikrofon.

„Das ist ja alles gar nicht so schlimm. Hätten sie das mal gleich gesagt“, beschwert sich eine Reporterin bei Staatsrat Klaus Meister, der in gelöster Stimmung mit dem Kameratross durch den viereckigen Atriumbau zog. Alles wird gut. Wäre da nicht der Blick in den Hof. Zehn mal zehn Meter Freifläche bietet das Areal rund um den Stumpf des gerade erst gefällten Trompetenbaums. Laufen oder Ballspielen ist nicht möglich. Ausgang ist in den ersten Monaten nur stundenweise erlaubt. Betreut wie „Prinzen“ würden die Jugendlichen, sagt Kritiker Bernzen. Eingesperrte Prinzen.