Rückkehr der bösen Buben

Mit der Hartgesottenheit, die ihr Coach Isiah Thomas von den alten Detroit Pistons mitbrachte, wollen die Basketballer der Indiana Pacers ins NBA-Finale. Wunschgegner: Dallas Mavericks

von MATTI LIESKE

Jermaine O’Neal hat keine Hemmungen, kühn vorauszudenken und eine neue zukunftsweisende Rivalität in der Basketball-Liga NBA zu prophezeien. „Ich hoffe, wir sehen diese Jungs im Juni wieder und das Ende wird besser für uns sein“, wagte der Forward der Indiana Pacers den Blick auf eine mögliche Konstellation im Finale.

„Diese Jungs“, das sind die Spieler der Dallas Mavericks, bei denen Indiana am Dienstag mit 97:118 verlor. Eine süße Rache für das Team aus Texas, dem die Pacers vor einigen Wochen die erste Saison-Niederlage beigebracht und damit einen neuen Startrekord in der Liga vermasselt hatten. Diesmal ließ Dallas die äußert körperbetont zu Werke gehenden Gäste durch konstante Treffsicherheit aus der Distanz leer laufen. „Wir haben uns nicht beirren lassen und deshalb gewonnen“, sagte Michael Finley, mit 33 Punkten bester Werfer der Mavericks. Ein gutes Spiel lieferte auch Dirk Nowitzki, der wegen eines lädierten Knöchels zweimal pausiert hatte und bei seiner Rückkehr 20 Punkte zum Erfolg beisteuerte.

Die Prognose des 24-jährigen Jermaine O’Neal, der schon seine siebte NBA-Saison spielt und bester Scorer der Pacers ist, könnte sich trotzdem bewahrheiten. Auch nach der Niederlage in Dallas bleibt Indiana das beste Team des Ostens und wenig deutet darauf hin, dass dies purer Zufall ist. In seinem dritten Jahr als Coach der Pacers scheint es Isiah Thomas vielmehr langsam zu gelingen, der Mannschaft seinen Stempel aufzudrücken.

Thomas selbst hatte Ende der 80er-Jahre als Kapitän der Detroit Pistons zwei NBA-Titel gewonnen. Dabei schien der smarte, elegante Spielmacher mit dem Engelsgesicht auf den ersten Blick kaum in ein Team zu passen, das den Beinamen „Bad Boys“ trug und die Gegner in Schrecken versetzte. Der Eindruck täuschte. „Er war der Bad Boy“, sagt Donnie Walsh, Präsident der Indiana Pacers. Kein anderer als Isiah Thomas sei der Motor jener rüden Attitüde gewesen, welche Raufbolde wie Dennis Rodman, Bill Laimbeer, Rick Mahorn oder Mark Aguirre auf dem Spielfeld an den Tag legten. Eine Attitüde, die nun auch die Pacers angenommen haben.

„Die Betonung von Defense, Härte und Aggressivität hat die Bad-Boy-Mentalität ausgemacht“, sagt Donnie Nelson, Assistenztrainer bei den Mavericks, und fügt hinzu: „Sie ist wieder erwacht.“ Mit riesigem Abstand führt Indiana die Liga bei den technischen Fouls (28) für Unsportlichkeit an, sieht man einmal von Boston ab, das seine 24 „Technicals“ aber vor allem der großen Klappe von Antoine Walker (11) zu verdanken hat. Wer gegen die Pacers spielt, muss mit unsportlichen Fouls, Schubsereien, Beleidigungen und Provokationen rechnen, wobei sich besonders Ron Artest hervortut. Der musste auch gegen Dallas nach einer Balgerei früh vom Feld, nachdem er zuvor schon mit Nowitzki aneinander geraten war.

Artest kam letzte Saison mit Center Brad Miller aus Chicago, das dafür den treffsicheren, aber sanften Jalen Rose erhielt. Der letzte in einer Reihe von Trades, mit denen Thomas das Team drastisch verjüngte – es ist das achtjüngste der Liga – und vor allem die geliebte Hartgesottenheit forcierte. Ron Artest, der gern mit Dennis Rodman verglichen wird, hatte vorher vor allem dadurch für Aufsehen gesorgt, dass er Michael Jordan vor dessen Comeback bei einem Trainingsspiel eine Rippe brach. Miller wiederum hatte landesweite Berühmtheit erlangt, als er den mächtigen Shaquille O’Neal zu Boden schmetterte und der ihn darauf hin mit einem rechten Haken, der Mike Tyson alle Ehre gemacht hätte, nur um Haaresbreite verfehlte. Millers Vorbild ist, wen wundert’s, Bad Boy Bill Laimbeer, der für alle Basketballfreunde außerhalb Detroits jahrelang das Feindbild Nummer eins darstellte. „Ein riesiger, steifer Weißer, der vor niemandem kuschte, das Idol meiner Familie“, erzählt Miller.

Auch die anderen jüngeren Spieler wie Jonathan Bender, Jermaine O’Neal, Ron Mercer oder Al Harrington passen zur der Vorstellung, die Thomas vom Basketball hat. Und dann wäre da ja noch Reggie Miller, der jahrelang allein das Ekel bei den Pacers spielen musste. „Ich kann mir jetzt den Luxus leisten, mir nicht jeden Abend den Kopf einrennen zu müssen. Man ruft mich, wenn ich gebraucht werde“, sagt der 37-Jährige, einer der wenigen, die von jenem Team übrig blieben, das mit Larry Bird als Coach im NBA-Finale 2000 den Los Angeles Lakers unterlag.

Den Schatten von Bird ist Isiah Thomas diese Saison endlich losgeworden, auch wenn er niemals die Popularität seines aus Indiana stammenden Rivalen erreichen wird. „Wir haben viel Zeit und viele Jahre vor uns“, prognostiziert der Coach für sein Team. Letzte Saison hätte einen solchen Satz in Indianapolis noch niemand unterschrieben.