ISRAELS POLITISCHE SITUATION STÜRZT DAS LAND IN EINE WIRTSCHAFTSKRISE
: Boom bloß für kugelsichere Westen

Seltsam, dass bei der Abstimmung über den Haushalt in der Nacht zum Mittwoch kaum Vertreter der Arbeitspartei im Parlamentsplenum saßen. Die geplanten sowie die ausbleibenden Reformen waren der Opposition noch vor wenigen Wochen wichtig genug, um Neuwahlen zu forcieren. Nun jedoch folgte die Fraktion mehrheitlich dem Wort des neuen Chefs Amram Mitzna, der auf Enthaltung oder Abwesenheit setzte. Denn ein Staat ohne Haushalt laufe Gefahr, auch noch die letzten ausländischen Investoren zu verunsichern und damit die Wirtschaft zusätzlich zu belasten.

Dieses Argument hätte vor dem Regierungssturz bedacht werden sollen. Schließlich sind die Neuwahlen nicht billig und wären nur dann zu rechtfertigen, wenn die Opposition tatsächlich Hoffnungen hätte, eine Wende herbeizuführen. Mitznas zu begrüßende Reformversprechen für die Umverteilung staatlicher Ressourcen – weniger Subventionen für die jüdischen Siedlungen, dafür mehr Unterstützung für sozial Schwache und Studenten – werden vermutlich noch vier weitere Jahre auf sich warten lassen. Schon jetzt ist abzusehen, dass der Haushalt das kommende Jahr nicht übersteht. Auch im auslaufenden Jahr gab es drei verschiedene Budgets. Rund 170 Millionen Euro fehlen derzeit in der Staatskasse. Die Wirtschaft steckt in der Krise, vor allem aufgrund der politischen Situation, die Touristen und Investoren abschreckt und gleichzeitig hohe Kosten für die Sicherheit verursacht, wobei der Haushalt für die Armee offiziell gerade um rund 800 Millionen Euro gekürzt worden ist. Jerusalem hofft dabei auf Unterstützung der US-amerikanischen Regierung. Sollten die angekündigten Dollars nicht eintreffen, würde das den Staat zu weiteren Kürzungen zwingen.

Gewinner der aktuellen Bedrohung sind nur private Sicherheitsdienste, Versicherungsgesellschaften und die Hersteller kugelsicherer Westen. Aber auch die können die steuerlichen Einbußen und die dramatisch ansteigenden Arbeitslosenzahlen vor allem im Tourismus und Einzelhandel kaum aufhalten. SUSANNE KNAUL